Warum Armutsbekämpfung über Steuern nicht wirkt

  • Volker König, Till Christofzik
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Obwohl seit vielen Jahren diskutiert wird und politisch eingegriffen wurde, ist es nicht gelungen, Kinderarmut nachhaltig zu bekämpfen. Auch die jüngsten Reformvorschläge gehen nicht weit genug.

Woran liegt das?

Das ist auch eine Folge der Ausrichtung der Familienpolitik. Verschiedene finanzpolitische Instrumente sollen für Ausgleich und Förderung sorgen. Grundlage der Instrumente sind einerseits das Steuerrecht und andererseits das Sozialrecht. Die Gewichtung der Ausgleichsinstrumente sowie die Praxis der Anwendung der beiden Instrumente führen allerdings zu einer Benachteiligung insbesondere derer, die wenig Einkommen haben und so besonders auf Leistungen angewiesen sind. Die weitaus meisten Leistungen fließen über das Einkommensteuerrecht. Hier erfolgt ein sogenannter horizontaler Ausgleich. Das bedeutet, dass eine Familie mit mehr Kindern bevorzugt wird gegenüber einer Familie, die ein vergleichbares Einkommen, aber weniger (oder keine) Kinder hat. Daneben erfolgt über das Sozialrecht ein sogenannter vertikaler Ausgleich zwischen Familien mit unterschiedlichem Einkommensniveau. Allerdings fließen hier deutlich weniger staatliche Mittel.

Warum ist das ungerecht?

Die Förderung über das Steuersystem ist vergleichsweise einfach organisiert, während die sozialrechtlich organisierte Förderung einem „Leistungsdschungel“ gleicht, der kaum zu überschauen ist. Dies hat zur Folge, dass viele Menschen die Leistungen, die ihnen nach dem Sozialrecht zustehen, gar nicht in Anspruch nehmen. Hinzu kommen andere Hindernisse wie etwa Scham, staatliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Wer viele Steuern bezahlt, erhält mehr Geld für seine Kinder

Die starke Orientierung am Steuerrecht bewirkt auch, dass die staatliche Förderung von Kindern mit zunehmendem Einkommen steigt (höherer Steuersatz = höherer Entlastungsbetrag). Darüber hinaus übersteigt das steuerlich gewährte Existenzminimum für Kinder (Kinderfreibetrag im Einkommensteuerrecht) die Höhe des derzeitigen sozialrechtlichen Existenzminimums deutlich. Die Entlastung ist somit für reichere Familien größer als für ärmere. Schließlich benachteiligt das Steuersystem besonders Alleinerziehende. Das hängt mit dem im Einkommensteuerrecht verankerten Ehegatten-Splitting zusammen. Bei „traditioneller“ Aufgabenverteilung in Familien führt es zu großen steuerlichen Vorteilen, dem ein nur geringer Entlastungsbetrag für Alleinerziehende gegenübersteht. Die starke Orientierung der Förderung am Steuerrecht führt also dazu, dass das Geld gerade nicht da ankommt, wo es am dringendsten gebraucht wird.

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