Irene Becker und andere haben das Konzept der Kindergrundsicherung als Alternative entwickelt. Wie funktioniert das? Die Kindergrundsicherung soll Leistungen nach dem Steuerrecht und Sozialrecht ersetzen.
Der Vorschlag basiert auf dem ethischen Grundsatz, dass das Wohlergehen jedes Kindes gleichgewichtig ist, und auf der Erkenntnis, dass für ein gutes Aufwachsen in dieser Gesellschaft neben Infrastrukturangeboten wie etwa Kitas eine materielle Absicherung in der Familie unabdingbar ist. Im Positionspapier werden zwei Varianten einer Kindergrundsicherung beschrieben.
Kindergrundsicherung: Die Basisvariante.
Bisher ist es so, dass im Steuerrecht ein höherer Betrag für das Existenzminimum eines Kindes angesetzt wird als im Sozialrecht. (Das Existenzminimum ist der Betrag, der notwendig ist, um in einem Land bei sparsamem Wirtschaften am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können.) Das soll geändert werden. Es muss ein einheitliches Existenzminimum für alle Kinder bestimmt werden. Dies ist dann der Höchstbetrag, der als Leistung der Kindergrundsicherung gewährt wird. Die Leistungen für Kinder, die bisher nach dem Sozialrecht gewährt werden, werden weitestgehend durch diesen Betrag abgelöst (Ausnahme: Sonderbedarfe für außergewöhnliche Belastungen). Dieser Betrag kommt direkt allen Kindern zu Gute. Er wird aber, anders als jetzt, im Sozialrecht nicht auf Leistungen, die die Eltern bekommen, angerechnet.
Diese staatlich gewährte Leistung für Kinder ist zu versteuern. Dabei wird der Höchstbetrag mit steigendem Familieneinkommen kontinuierlich abgeschmolzen. Allerdings wird ein Mindestbetrag durch steuerliche Entlastung nicht unterschritten. So wird gewährleistet, dass die, die wenig oder gar keine Steuern bezahlen, am stärksten entlastet werden (die sog. vertikale Gerechtigkeit). Wer Kinder hat und ein sehr hohes Einkommen, bekommt im Vergleich zu weniger Verdienenden zwar weniger staatliche Leistungen. Er behält aber einen finanziellen Vorteil gegenüber denen, die gleich viel verdienen, aber keine Kinder haben (die sog. horizontale Gerechtigkeit).
Weiterentwicklung der Basisvariante der Kindergrundsicherung.
Diese Basisvariante einer Kindergrundsicherung geht von gegebenen Eckpunkten aus, die sich etwa aus dem aktuellen Steuerrecht ergeben. Sie ist weiterentwickelt worden zu einem offeneren Konzept, bei dem der Gesetzgeber Spielräume hat. Er kann auf dem Hintergrund eines gesellschaftspolitischen Diskurses neue Eckwerte festlegen. So sollen etwa auf Basis wissenschaftlicher Berechnungen die Höhe des Existenzminimums neu berechnet und die Effekte alternativer Abschmelztarife untersucht werden. Eine Diskussion darüber läuft mit der Vorlage von Übergangsvarianten vereinzelt an. Von wissenschaftlicher Seite wurde das normativ offene Modell nur beispielhaft spezifiziert.