Kasualfeiern sind wie alle Gottesdienste weder eine Vorführveranstaltung noch eine One-Man- oder One-Woman-Show. Sie sind eine Zusammenkunft von Menschen, die sich mit ihren eigenen Gaben und Ideen in sie einbringen. Die Frage nach den eigenen Vorstellungen für die anstehende Feier ist daher bei Kasualgesprächen unverzichtbar. Manche dieser Wünsche reiben sich dabei mit den Prinzipien der kirchlichen Vertreter:innen. Während beispielsweise die Braut fest entschlossen ist, sich zum Klang von Mendelssohn Bartholdys Hochzeitsmarsch von ihrem Vater in die Kirche führen zu lassen, hält die Pfarrerin diesen Akt einer emanzipierten Frau unwürdig und der Kantor fühlt sich auf die Bedienung musikalischer Klischees reduziert. Unverzichtbar ist daher ein ehrlicher Dialog zwischen allen Beteiligten. Die Bereitschaft dazu zwingt die Liturg:innen und Kirchenmusiker:innen nicht, jeden an sie herangetragenen Wunsch zu erfüllen. Sie dürfen und sollen für die Weisheit der Bibel werben, den Schatz des christlichen Liedguts ausbreiten, den Wert christlicher Rituale betonen – und auch kirchliche wie persönliche Prinzipien und Grenzen offen benennen. Zugleich stehen sie aber in der Verantwortung, ihre Gegenüber zu respektieren und sich mit der nötigen Professionalität und Milieusensibilität auf deren Lebens- und Gedankenwelt einzulassen, um sie von innen heraus zu verstehen. Dann können die Motive eines möglicherweise zunächst merkwürdig oder gar anstößig erscheinenden Gestaltungswunsches zu Tage treten und sich ein persönliches Gespräch darüber entspinnen. Am Ende steht im Idealfall eine Feier, in der sich alle Beteiligten wiederfinden. Die dafür erforderliche intensive Vorbereitung ist ein unschätzbarer Teil des gesamten Kasualgeschehens. Die dabei gewachsene Beziehung kann die gottesdienstliche Erfahrung intensivieren und das Zugehörigkeitsgefühl weit über die Feier hinaus stärken.
Partizipation erschöpft sich nicht in der liturgischen Mitwirkung anderer Personen, darf sich aber soweit als möglich darin ausdrücken: Die Taufpatin möchte einen Segen für das Patenkind sprechen, der Trauzeuge eine Fürbitte formulieren und der beste Freund des Verstorbenen in der Trauerhalle das Wort ergreifen. Alle diese Personen sind zumeist dankbar für inszenatorische Hinweise und redaktionelle Unterstützung – wer möchte sich schließlich in aller Öffentlichkeit nicht auf bestmögliche Weise präsentieren? Zugleich braucht die „liturgische Latte“ nicht höher als nötig zu liegen: Die selbst formulierte Fürbitte muss nicht allen agendarischen Kriterien genügen und die Abschiedsrede in keiner Predigtprüfung bestehen.
Der Respekt vor der Individualität und der Freiheit der Einzelnen gebietet es schließlich, auch zu akzeptieren, wenn eine Person oder eine Familie keine Wünsche äußern kann oder sich nicht aktiv beteiligen will. Das muss nicht notwendig an mangelndem Interesse liegen, sondern kann unterschiedliche, mit der Persönlichkeit, der eigenen Geschichte oder dem Milieu verbundene Gründe haben. Auch sollte niemand gegen den eigenen Willen eine Rolle nur deshalb übernehmen, „weil die nette Pfarrerin mich so hartnäckig dazu gedrängt hat“.
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< 2.4 Rollen und Aufgaben | 2.6 Service und Qualität > |
Absolut d’accord!
Unsere Kunst ist es doch, jede Vorlage zu nutzen und zu einem Treffer zu machen. Letztlich bildet die Bibel doch das ganze Leben ihrer Zeit ab. Genauso bietet das heutige Leben viele Steilvorlagen für viele biblische Bezüge und christliche Botschaften. Da nehme ich doch gerne alles auf, was mir vor die Füße fällt, und versuche, damit meine Botschaft zu verbinden und an meinem jeweiligen Gegenüber auszurichten! Das funktioniert, wenn man sich einfach auf die Menschen und ihre Wünsche einlässt und sich selbst persönlich nicht für so wichtig nimmt, allerdings in der Funktion als Liturg schon.