Antworten auf Nachfragen zur ForuM-Studie

Für die ForuM-Studie hat der unabhängige Forschungsverbund, der die Studie erstellt hat, den 20 Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) einen Anforderungskatalog gestellt. Aus diesem geht hervor, in welchen Schritten Vorfälle sexualisierter Gewalt von den Landeskirchen gemeldet und welche zugehörigen Daten und Akten geliefert werden müssen.

Welche Akten haben wir geliefert?

Auf der Basis des vom Forschungsverbund o. a. Anforderungskataloges hat die Evangelische Kirche im Rheinland alle geforderten und uns zur Verfügung stehenden Daten und Akten geliefert.

Ursprünglich war ein anderes, auf der Auswertung von Personalakten basierendes Verfahren angedacht. Im ersten Schritt wurde ein mehr als 100 Seiten umfassender Fragebogen an alle Landeskirchen und die Diakonie geschickt. Darin standen auch Fragen, die nicht zu unserer Landeskirche passten, weil sie von den Forschenden aus dem katholischen Kontext übernommen waren. Daher musste bei Lücken oder unklaren Rückmeldungen nachgearbeitet werden. Durch diese Verzögerungen mussten Prioritäten gesetzt und das Forschungsdesign angepasst werden. Entsprechend vereinbarten EKD und Forschende das andere, auf den Disziplinarakten basierende Verfahren.

In einem ersten Schritt haben wir uns bekannte Fälle gemeldet. Im zweiten Schritt haben wir nach der Prüfung der insgesamt 161 vorliegenden Disziplinarakten zu allen Berufsgruppen die auf landeskirchlicher Ebene vorliegenden Akten von Pfarrpersonen ab dem Jahr 1946 bis einschließlich 2021 durchgesehen. Insgesamt waren dies Personalakten von 4733 Pfarrpersonen. Dieses Aktenscreening war von der Quellenlage her dringend geboten, da bis in die 1980er Jahre oftmals keine separaten Disziplinarakten geführt worden sind.

Damit die Forschenden Zugang zu den Akten bekommen konnten, wurden auf Ebene der Evangelischen Kirche in Deutschland eigens die rechtlichen Bedingungen dafür geschaffen. Es hat dann aber keinerlei Anfrage auf Akteneinsicht gegeben. Stattdessen haben die Forschenden Fragebögen zu Beschuldigten und Betroffenen geschickt. Diese haben wir innerhalb des gewünschten Zeitfensters für die uns bekannten Fälle sorgsam ausgefüllt. Zur Qualitätssicherung hat ein pensionierter Strafrichter diese Akten und die dazugehörigen Fragebögen noch einmal eigens überprüft. Nachfragen, Änderungswünschen oder der Bitte um Nachlieferung seitens der Wissenschaftler*innen sind nicht an uns herangetragen worden.

Wie geht es weiter?

Die zentral bei der Landeskirche verwahrten Personalakten der Lehrkräfte an kirchlichen Schulen, der Kirchenbeamten sowie der Beschäftigten des Landeskirchenamtes sollen analog zum Aktenscreening beim Pfarrpersonal vollständig überprüft werden. Bei den übrigen kirchlichen Berufsgruppen werden die Personalakten vom jeweiligen Anstellungsträger (Kirchenkreise, Kirchengemeinden) geführt. Hier sind Verfahren zu einer Durchsicht auch dieser Bestände zu entwickeln.

Wie sieht es mit der regionalen Aufarbeitungskommission aus?

Eine regionale Aufarbeitungskommission unter Beteiligung der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe, der Evangelischen Kirche von Westfalen, der Lippischen Landeskirche und der Evangelischen Kirche im Rheinland wird ihre Arbeit aufnehmen. Hier ist ein entsprechender Vertrag im Dezember unterzeichnet worden. Am 26. Februar 2024 werden sich die Verbundpartner durch Unterzeichnung die Gemeinsame Erklärung inklusive der dazugehörigen Auslegungshilfe zu eigen machen und die darin enthaltenen Verpflichtungen als für sie verbindlich anerkennen.

In der Kommission werden unabhängige Expert*innen aus Wissenschaft, Fachpraxis, Justiz und öffentlicher Verwaltung, Betroffene sowie Vertreter*innen der Landeskirchen und der Diakonie zusammenarbeiten. Die unabhängigen Expert*innen werden dabei durch die Landesregierung benannt und die Betroffenen von einer noch zu bildenden Betroffenenvertretung. Weniger als 50 Prozent der Mitglieder dürfen Beschäftigte der evangelischen Kirche oder der Diakonie sein oder einem ihrer Gremien angehören.

Was wird aktuell bereits aufgearbeitet?

Auf lokaler Ebene wird bereits fallbezogene Aufarbeitung mit wissenschaftlicher Unterstützung und unter Einbindung Betroffener betrieben. Die lokalen Ergebnisse fließen in die spätere regionale Aufarbeitung ein. Studienergebnisse der Bergischen Universität Wuppertal und der Fachhochschule Potsdam zur Aufarbeitung der Missbrauchsfälle im damaligen Schülerheim Martinstift in Moers in den 1950er Jahren wurden Ende März 2023 vorgestellt.

Auch zu einem Kölner Fall ist inzwischen der Vertrag für eine Studie unterzeichnet worden. Gemeinde und Kirchenkreis arbeiten bereits seit längerer Zeit diesen Fall auf und werden dabei zukünftig durch Wissenschaftler*innen unterstützt.

Weitere Vorüberlegungen zu fallbezogenen Untersuchungen bestehen in Duisburg und im Kirchenkreis Altenkirchen sowie in einem Verbund mehrerer Kirchenkreise, in denen ein Beschuldigter beschäftigt war.

Außerdem will die Evangelische Kirche im Rheinland zusammen mit den Landeskirchen von Bayern, Hannover und Hessen-Nassau sowie der EKD die Frage wissenschaftlich klären lassen, ob die Diskussion um eine liberalere Sexualerziehung in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts auch dazu geführt hat, dass sexualisierte Gewalt gegenüber Kindern und Jugendlichen innerhalb der evangelischen Kirche strukturell begünstigt wurde.

So wichtig die sexualpädagogischen Impulse dieser Zeit auch für die Entwicklung einer selbstbestimmten Sexualität waren, so sehr häufen sich aber zugleich Beispiele dafür, wie diese Impulse instrumentalisiert wurden, um sexualisierte Gewalt von Erwachsenen gegenüber Minderjährigen zu kaschieren und zu legitimieren. In der evangelischen Kirche zeitweise hoch angesehene Pädagogen wie Gerold Becker oder Helmut Kentler stehen mittlerweile für diese Form der Instrumentalisierung. Eine Vorstudie ist inzwischen abgeschlossen. Über die Hauptstudie wird auf EKD-Ebene entschieden.

Die rheinische Kirche bereitet in diesem Kontext bereits eine wissenschaftliche Fall-Untersuchung vor, die aus landeskirchlicher Perspektive besonders relevant ist. Dabei wird es auch darum gehen, dass Zeitzeugen und Betroffene zu Wort kommen.

Welche Konsequenzen wurden aus der 2023 veröffentlichten Studie zum Martinstift gezogen?

Bereits im März 2023 wurden die Ergebnisse einer Studie zur Gewalt im Martinstift in Moers vorgestellt. Im Rahmen einer Pressekonferenz haben die Forschenden die Ergebnisse präsentiert, zwei Betroffene haben diese aus ihrer Erfahrung und Perspektive eingeordnet und Vizepräses Christoph Pistorius hat für Kirche und Diakonie Stellung bezogen. Diese Studie haben Landeskirche, Kirchenkreis und Kirchengemeinde sowie Diakonie RWL gemeinsam in Auftrag gegeben. Kirchenleitung, Kreissynodalvorstand, Presbyterium und Vorstand Diakonie haben die Ergebnisse in einem Workshop ausgewertet und beraten, welche Konsequenzen daraus gezogen werden müssen. Entsprechend haben wir dazu eine Vielzahl von weiterführenden Maßnahmen beschlossen. Zu diesen Maßnahmen gehören u. a.:

a) Verbesserung der Begleitung Betroffener durch Aushandeln von Rahmenverträgen mit Beratungsstellen.

b) Gespräch mit den Mitgliedern der unabhängigen Gremien für die Anerkennungsleistungen. An der Vereinheitlichung und den Standards arbeitet inzwischen auch das Beteiligungsforum auf EKD-Ebene.

c) Wissenschaftliche Aufarbeitung zum Thema „Sexualisierte Gewalt in den Internaten im Bereich der Evangelischen Kirche im Rheinland“. Hier gibt es sehr konkrete Vorplanungen mit Prof. Kessl von der Bergischen Universität, der auch die Studie zum Martinstift durchgeführt hat.

d) Auffällige und wiedererkennbare Veröffentlichung der vielen Ansprechmöglichkeiten in den Kirchenkreisen und auf landeskirchlicher Ebene in Form von Plakaten, Verteilkarten u. ä.

e) Erarbeitung eines Gottesdienstentwurfs bzw. einer Predigthilfe zum Thema „Sexualisierte Gewalt“.

f) Zum Maßnahmenpaket gehört auch der Auftrag an den Theologischen Ausschuss sowie mitberatend den Innerkirchlichen Ausschuss sowie den Ausschuss für Erziehung und Bildung, unter Berücksichtigung der Erkenntnisse aus der ForuM-Studie ein Positionspapier zum Umgang mit Macht, struktureller Gewalt sowie Schuld in der Evangelischen Kirche im Rheinland zu erarbeiten. Die drei benannten Ausschüsse haben dazu während dieser Synodaltagung erstmalig beraten.

Kreissynodalvorstand, Presbyterium in Moers sowie der Vorstand der Diakonie RWL haben darüber hinaus noch weitere Maßnahmen beschlossen.

Wo gibt es weiterführende Informationen?

Häufig gestellte Fragen zum Umgang mit sexualisierter Gewalt in der Evangelischen Kirche im Rheinland werden hier beantwortet. Die Informationen werden fortlaufend aktualisiert.