Es sind schon viele Bücher über den Dickenschieder Pfarrer Paul Schneider, der 1939 im KZ Buchenwald ermordet wurde, erschienen. Und doch ist es eine spannende neue Entdeckungsreise, auf die Dr. Jochen Wagner die Leserinnen und Leser in seinem Buch über den „Prediger von Buchenwald“ mitnimmt. Mit vielen ungewohnten und unbekannten Eindrücken.
„Ich mag Menschen mit Ecken und Kanten, an denen man sich reiben und abarbeiten kann“, erzählt Jochen Wagner. So ein Mensch sei Paul Schneider. An ihm würden sich die Geister scheiden. „Er hätte sich leicht retten können, wenn er seine Landeskirche verlassen hätte, aber er blieb seiner Gemeinde im Hunsrück treu, mit allen Konsequenzen. Doch dachte er dabei nicht an seine Familie? Warum ging er diesen Weg und wäre es wirklich so schlimm gewesen, seine Mütze vor der Hakenkreuzfahne abzunehmen?“, fragt er sich. Fragen, die sich sicher auch andere beim Blick auf das Leiden des Dickenschieder Pfarrers stellen würden, glaubt er.
Manchmal erscheine einem Paul Schneider da als Fremder, in manchem könne man ihn nicht verstehen und er lasse sich auch von keiner Glaubensrichtung vereinnahmen, macht Jochen Wagner deutlich. „Seine Lebensgeschichte bringt uns zum Nachdenken und Fragen kommen auf“, so der Autor, der Pastor der Freien Evangelischen Gemeinde Kirchberg ist. Und diesen Fragen und diesen Gedanken geht Wagner in dem Buch nach.
„Es ist ein Weg zwischen Zweifeln und Glauben durch die verschiedenen Lebensstationen, den wir bei Paul Schneider sehen“, macht der Theologe deutlich. Und wenn man sich mit ihm beschäftige, dann könne es passieren, dass der „Prediger von Buchenwald“ selbst einem fragend gegenüberstehe. „Er fragt uns nach unserer Art, Christ zu sein, nach unserem christlichen Glauben und unserer Nachfolge Christi“, so Jochen Wagner.
In seiner Entdeckungsreise zu den Zweifeln und dem Glauben im Lebens- und Leidensweg von Paul Schneider blickt der Autor nicht nur auf die Zeit des Dritten Reichs, sondern gerade auch in den Jahren zuvor, bevor der Kirchenkampf das Leben des Dickenschieder Pfarrers prägen sollte. „Es waren schon damals Jahre des Zweifelns und des Suchens, in denen Pfarrer Schneider aber im Glauben die Kraft und Sicherheit findet, die dann in den späteren Jahren so wichtig sein sollten für ihn“, erläutert Jochen Wagner.
Leider sei nicht bekannt, ob Paul Schneider auch im KZ in Buchenwald von Zweifeln befallen gewesen sei und wo er die Kraft hergenommen habe, inmitten des Schreckens und Leidens seinen Mitgefangenen Trost- und Glaubensworte zuzurufen. Jochen Wagner: „Aus Buchenwald sind keine Briefe von ihm überliefert, in denen er über seine Zweifel spricht. Allerdings zeigen die Briefe aus dem Koblenzer Gefängnis durchaus Zweifel bei ihm. Sicher ist jedenfalls: Auch Paul Schneider kannte Zweifel, Selbstzweifel, Mutlosigkeit und Schuldbewusstsein. Doch er verspürte immer wieder auch Hoffnung.“ Und dazu habe ihm der Glauben die Kraft gegeben, betont Wagner.
Es ist die Stärke dieses Buches von Jochen Hansen, das hier neue Blicke auf Paul Schneider erlaubt, die gerade auch in der heutigen Zeit hochaktuell sind. Und es ist durchaus für jüngere Leserinnen und Leser geeignet, die sich über den „Prediger von Buchenwald“ informieren und mehr von ihm erfahren möchten.
Denn: „Auch wenn wir nicht alle Ansichten von Paul Schneider zum Glauben und zur Welt teilen, und das müssen wir ja auch nicht, so lohnt es sich trotzdem, sich mit ihm und seiner Lebensgeschichte zu beschäftigen, sich daran abzuarbeiten und daran zu wachsen“, ist Jochen Wagner überzeugt.
Hintergrund: Dr. Jochen Wagner
Jochen Wagner studierte evangelische Theologie in Marburg, Mainz und Ewersbach. Seit 2007 ist er Pastor der Freien Evangelischen Gemeinde in Kirchberg. Von 2014 bis 2020 war er Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) in Rheinland-Pfalz und im Saarland sowie von 2017 bis 2022 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Koblenz. Seit 2020 ist er freikirchlicher Referent der ACK in Deutschland.
Jochen Wagner: Paul Schneider. Zweifler-Christ-Märtyrer, Leipzig 2024