Seelsorge zwischen Ballermann und Traumhochzeit

Seit zwei Jahren arbeitet das Pfarrerehepaar Martje Mechels und Holmfried Braun für die Evangelische Gemeinde auf den Balearen. Auf den Inseln veranstalten sie Gottesdienste sowie Wandertouren und betreuen Urlauberinnen und Urlauber in Not – darunter auch die in die Schlagzeilen geratenen Kegelbrüder. Die Männergruppe aus Münster befand sich wegen des Verdachts der Brandstiftung mehrere Wochen in  U-Haft und ist erst kürzlich daraus entlassen worden.

Keine Frage: Der Einsatzort des Pfarrerehepaars Martje Mechels und Holmfried Braun ist ein besonderer. In zehnter Reihe hinter dem Ballermann in S’Arenal auf Mallorca steht das Gemeinde- und Wohnhaus der deutschsprachigen Evangelischen Gemeinde auf den Balearen. Von hier aus leiten Mechels und Braun unter dem Dach der Evangelischen Kirche in Deutschland die Geschicke der Gemeinde. „Wir versuchen nah an den Menschen dran zu sein“, sagt Pfarrerin Mechels. Dabei helfe es, in einer Touristenregion zu arbeiten. „Im Urlaub sind Menschen oft besonders offen und in mancher Hinsicht besonders bedürftig. Das öffnet Chancen, die wir versuchen zu nutzen.“

In Trauer und Freude für die Menschen da

Urlaub ist sodann das passende Stichwort. „Wir arbeiten zur Hälfte für die Kirchengemeinde und leisten zur anderen Hälfte Tourismusseelsorge“, erläutert Braun. Bedeutet: Sie sind in allen Lebenslagen für die Urlauberinnen und Urlauber da – ob nach Unfällen oder dem Diebstahl des Mietwagens. „Wir begleiten die Menschen in ihrer Freude, aber auch in ihrer Trauer um verunglückte Angehörige und in Notsituationen“, fasst es Mechels zusammen.

Rund 50 Hochzeiten feiert das Pfarrerehepaar im Jahr.

Hilfe und Trost für inhaftierte Männergruppe

Letzteres trifft auf die Gefängnisseelsorge zu, die Braun gemeinsam mit der deutschsprachigen katholischen Gemeinde verantwortet. In den vergangenen Wochen rückte diese Arbeit besonders in den Fokus, auch medial. „Wir haben die Männergruppe aus Münster betreut, die wegen des Vorwurfs der Brandstiftung wochenlang in Untersuchungshaft saß“, erzählt Braun. Mitte Juli wurde die Gruppe gegen Kaution auf freien Fuß gesetzt. „Wir haben ihnen Hilfestellung und Trost gegeben, ihre Familien unterstützt und Besuchserlaubnisse organisiert.“ Nach ihrer Entlassung hätten sie die Gruppe am Gefängnis abgeholt und mit ihnen im Gemeindehaus Pizza gegessen. Das Motto: „Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen“. „Das hat ihnen Kraft gegeben und war den Angehörigen ein wichtiges Bibelwort.“ Für den 54-Jährigen ist diese Art der Unterstützung eine der wichtigsten als Kirche vor Ort. „Wer soll sonst für die Menschen da sein, wenn nicht wir?“ Damit könne man zudem eine Antwort auf die Frage geben, wozu Kirche – auch an Urlaubsorten – da sei. „In solchen Situationen merkt man, dass der Glaube doch noch eine Rolle spielt, er Trost spenden kann.“

Krankenhausbesuchsdienst und „Herztaten“ für Alleinstehende

Dasselbe gilt auch für die Krankenhausseelsorge, den Arbeitsbereich von Mechels. Seit 15 Jahren gebe es einen ökumenischen Krankenhausbesuchsdienst. „Das ist für die Urlauberinnen und Urlauber enorm wichtig, da sie meist kein Spanisch sprechen und sich verloren fühlen.“ Des Weiteren arbeitet die Kirchengemeinde eng mit der Stiftung Herztat zusammen, die sich um alleinstehende, deutschsprachige ältere Menschen kümmert. „Wir helfen allen, die etwa durch Armut, den Verlust des Partners oder Krankheit in Not geraten.“

Wo immer es geht, legt Martje Mechels die Strecken mit dem E-Bike zurück.

Nach zwölf Jahren in Moers Auslandsabenteuer gestartet

Seit August 2020 sind Mechels und Braun auf Mallorca. Zuvor waren sie zwölf Jahre in Moers tätig: Braun als Pfarrer in der Gemeinde Asberg. Mechels hat sich dort sieben Jahre lang die Pfarstelle mit ihrem Mann geteilt, bevor sie danach fünf Jahre beim Gemeindedienst für Mission und Ökumene Niederrhein (heute: Gemeindedienst für entwicklungspolitische Bildung) beschäftigt war. „Weil unsere fünf Kinder nach und nach das Haus verlassen haben, kam der Wunsch auf, etwas Neues zu wagen“, blickt die 53-Jährige zurück. Das Ausland habe sie schon immer gereizt.

„Kirche aus dem Kofferraum“

Rund 400 Mitglieder aus dem DACH-Raum (Deutschland-Österreich-Schweiz) zählt die Kirchengemeinde auf den Balearen. Gottesdienste werden an verschiedenen Orten in katholischen Kirchen auf Mallorca und Ibiza gefeiert. „Unter den Gästen sind Touristen, Residenten und Halbresidenten, also Menschen, die dauerhaft oder überwiegend hier leben“, erklärt Mechels. Es sei sehr gewinnbringend, diese Vielfalt zu erleben. Das Gemeinde-Portfolio umfasst eine Konfirmandengruppe, eine Männerkochgruppe und den Kirchen-Klatsch – eine Art Bibelkreis. Mechels und Braun bezeichnen all das gerne als „Kirche aus dem Kofferraum“. Schließlich seien sie viel unterwegs. Das Ziel: Die Menschen dort erreichen, wo sie sind. Dazu passt das im Winterhalbjahr monatlich stattfindende „Wandern für Leib & Seele“. „Unterwegs sprechen wir im wahrsten Sinne des Wortes über Gott und die Welt“, sagt Mechels.

Beim „Wandern für Leib & Seele“ wird über Gott und die Welt gesprochen.

Gemeindefest am Pool und 50 Hochzeiten pro Jahr

Regelmäßig würden zudem große Feste gefeiert. Ein Beispiel sei das Gemeindefest mit mehr als 100 Personen im Pfarrgarten – unter großen Palmen am Pool. Nicht zu vergessen die rund 50 Hochzeiten pro Jahr. „Die Paare verbindet meist eine besondere Geschichte mit Mallorca: Der Heiratsantrag ist hier romantisch am Strand geschehen oder sie haben sich hier kennengelernt“, erzählt Braun. Bis 2026 ist das Pfarrerehepaar auf jeden Fall noch auf den Balearen. Wie es danach weiter geht, ist noch offen. „Wir sind sehr gerne im Ausland, kommen aber auch gerne wieder zur Evangelischen Kirche im Rheinland zurück“, bringt es Braun auf den Punkt.

Im Garten des Gemeindehauses werden regelmäßig große Feste gefeiert.

  • 22.7.2022
  • Andreas Attinger
  • Evangelische Gemeinde auf den Balearen