3.5 Neue Kasualien

Heißluftballons im Abendlicht

 

In den vergangenen Jahrzehnten haben sich eine Reihe weiterer Übergangsrituale entwickelt, die häufig als „neue Kasualien“ bezeichnet werden. Gemeinsam ist diesen Feiern, dass sie wie die traditionellen Kasualien Taufe, Konfirmation, Trauung und Bestattung markante Momente im Leben einer einzelnen Person oder einer Gruppe liturgisch begleiten.

  • Bereits vor der Geburt eines Kindes oder unmittelbar danach verspüren Eltern oft den Wunsch, das neue Leben, das in und zwischen ihnen heranreift, zu würdigen, zu feiern und zu segnen. Zugleich suchen sie den Kontakt zu anderen jungen Eltern. Diesen Bedürfnissen kommen die in jüngerer Zeit entstandenen Segensfeiern rund um die Geburt entgegen (→ segenberuehrt.de).
  • Weithin etabliert haben sich Einschulungsfeiern. Der Wechsel von der Kindertagesstätte in die Grundschule ist für Kinder wie Eltern ein bedeutsamer und sensibler Schritt, der mit einer Mischung aus Vorfreude, Spannung und Ängsten verbunden ist. Die Schulneulinge stehen vor einer neuen Lebensphase mit ihnen noch unvertrauten Menschen und Regeln. Die wachsende religiöse Vielfalt unter Kindern und Eltern gebietet dabei zunehmend eine Gestaltung als multireligiöse Feier. Ähnliches gilt für Entlassfeiern aus der Kindertagesstätte sowie der Grund- und der weiterführenden Schule.
  • Den Übertritt aus dem Erwerbsleben in den Ruhestand erleben Berufstätige als eine bewusste Schwelle, an die sich in der Regel eine Lebensphase mit größerer Bewegungs- und Gestaltungsfreiheit („drittes Alter“) anschließt. In diese Übergangszeit fällt häufig die „Erinnerungskasualie“ (Fechtner/Klie 2019) der Goldkonfirmation. Mit dieser allein sind die liturgischen Möglichkeiten allerdings noch nicht erschöpft, zumal die Konfirmationsjubiläen in einer größeren Gruppe und oft nicht am aktuellen Wohnort begangen werden.
  • Unsichere Arbeitsverhältnisse und gestiegene Mobilität erfordern häufigere Umzüge. Diese erleben Menschen meist mit einem weinenden und einem lachenden Auge. Eine Lebensphase endet, eine andere beginnt. Ein Beziehungsnetz bleibt zurück, ein neues will geknüpft werden. Eine kirchliche Begleitung dieses Übergangs kann daher sowohl das bewusste Abschiednehmen am alten wie auch die Ankunft am neuen Wohnort in und mit den jeweiligen Kirchengemeinden unterstützen.
  • Ein seltener, aber umso wichtigerer Anlass für eine Segensfeier stellt eine Geschlechtsangleichung (Transition) dar (Bäuerle/Storch 2020). Neben dem seelsorglichen Beistand für die einzelnen Personen trägt ein solches Angebot auch dazu bei, das Thema Transsexualität und die Lebenswirklichkeit von trans* Menschen in das kirchliche und gesellschaftliche Bewusstsein zu heben.

Diese Aufzählung ist keineswegs erschöpfend. Sicher werden solche Feiern angesichts begrenzter Ressourcen nicht in jeder Gemeinde und an jedem Ort stattfinden können. Auch werden Liturg:innen nicht zu jedem Anlass denselben persönlichen, biografischen Bezug haben. Wie bei allen Kasualien ist auf dem Feld der „neuen Kasualien“ eine innergemeindliche, überregionale und ökumenische Kooperation anzustreben.

 

[Inhalt]
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Beiträge zu “3.5 Neue Kasualien

  1. Segen ist ein Geschenk, das ich gerne weiterschenke. Möglichkeiten für einen persönlichen Segenszuspruch zu schaffen sehe ich als eine der schönsten Aufgaben im Pfarrberuf. Seien es die klassischen Kausalien oder die neuen. Meiner Erfahrung nach nehmen Menschen eine solche Möglichkeit gerne an. Toll wenn Gemeinden, Kirchenkreise, Segensbüros hier weiterdenken und Segensanlässe schaffen. Neben den Einschulungs- und Schulabschlussgottesdiensten mit Schulen und vielen klassischen Kasualien habe ich im vergangenen Jahr die Kölner PopUp-Hochzeit oder einen Gottesdienst für Liebende zum Valentinstag als segensreich erlebt.

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