3.1.1 Feierformen

Taufe to go

Foto: Rolf Oeser / fundus-medien.de

 

So vertraut uns Taufen im Sonntagsgottesdienst auch erscheinen: Historisch betrachtet ist diese Praxis ein Sonderfall. Martin Luther hielt in seinem Taufbüchlein an der traditionellen Praxis der Taufe als eigenständiger Handlung fest. Erst reformierte Theologen wie Johannes Calvin verlegten die Taufe in die gottesdienstliche Versammlung am Sonntagmorgen, um so die ganze Gemeinde an die eigene Taufe zu erinnern. Dabei setzten sie allerdings idealisierend von der regelmäßigen Gottesdienstteilnahme der gesamten Gemeinde und damit auch der Eltern voraus. Zudem wollte Calvin „allen schaubühnenhaften Prunk beiseite(gelassen)“ und die Taufhandlung auf wenige Elemente konzentriert wissen (ICR IV,15,19).

Heutzutage begegnen sich bei Taufen im Gemeindegottesdienst dagegen oft zwei einander fremde Welten. Viele Tauffamilien sind weder mit der feiernden Gemeinde noch mit deren liturgischer Ordnung vertraut und fühlen sich dementsprechend fremd. Liturg:innen versuchen dies oft zu kompensieren, indem sie die Taufhandlung umso persönlicher und ausführlicher gestalten. Dadurch droht diese allerdings zu einer exklusiven (Familien-)Feier in der (Gemeinde-)Feier zu werden. Was die Taufgesellschaft als persönliche Zuwendung und außergewöhnliche Gestaltungsidee erleben mag, wird für die Stammgemeinde schnell zu nerviger Routine. Etliche Kirchgänger:innen meiden deswegen gezielt Sonntagsgottesdienste mit Taufen. Zugleich wird die Hoffnung, mit einer Verpflichtung zur Taufe im Sonntagsgottesdienst Menschen enger an die Gemeinde zu binden, in der Regel enttäuscht.

Viele rheinische Gemeinden sind – zumal in der Corona-Pandemie – dazu übergegangen, separate Taufgottesdienste zu feiern, zum Beispiel am Samstag- oder Sonntagnachmittag. Gerade Alleinerziehende erleben diese Feiern als entlastend, weil sie sich dabei nicht vor einer großen Gemeinde präsentieren müssen. Auch diese Taufgottesdienste sind keine privaten Familienfeiern. Schon der Raum der Kirche weitet den Horizont über die Kernfamilie hinaus. Werden mehrere Kinder zugleich getauft, formiert sich von selbst eine größere Feiergemeinde. Liturg:innen, Presbyter:innen, Kirchenmusiker:innen und Chormitglieder repräsentieren dabei die Gemeinde, in deren Kirche die Taufe gefeiert wird.

Wenn im sonntäglichen Gemeindegottesdienst getauft wird, sollte dieser insgesamt im Zeichen der Kasualie stehen. Dann können Texte, Gesten und Lieder individuell sowohl auf Wünsche und Bedürfnisse der Tauffamilien als auf die Bedeutung des Sakraments abgestellt sein, hinter dem das kirchenjahreszeitliche Proprium im Zweifel zurücktreten darf. Voraussetzung dafür ist, dass die mitfeiernden Gemeindeglieder die Tauffamilien nicht als Störenfriede der eigenen Andacht behandeln, sondern ihnen mit herzlichem Wohlwollen begegnen und sich in den Dienst der gemeinsamen Feier stellen.

Ob, wann und wo Eltern ihre Kinder taufen lassen, hängt nicht zuletzt davon ab, ob sich ein Termin findet, der zumindest für den engeren Kreis der Geladenen passt. Tauftermine in einer Gemeinde oder einer Region mit mehreren Gottesdienststätten sollten daher so aufeinander abgestimmt sein, dass eine Taufe im Idealfall an jedem Sonn- oder Feiertag möglich ist.

In den letzten Jahren sind Tauffeste (oft an Orten außerhalb der Kirche: im Pfarrgarten, am Fluss …) beliebter geworden. Sie machen nicht nur die Taufe zu einem denkwürdigen Ereignis, sondern bieten gerade weniger begüterten Eltern einen unaufwendigen und doch festlichen Rahmen für die eigene Familienfeier.

Ob dem Wunsch einer Familie nach einer Haustaufe im privaten Rahmen entsprochen werden kann, will – zumal angesichts begrenzter Ressourcen – gut überlegt sein. Eine solche Feier soll allerdings nicht länger als begründungspflichtiger und vom Presbyterium zu genehmigender Ausnahmefall (so noch § 15 II LOG) behandelt werden.

 

[Inhalt]
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Beiträge zu “3.1.1 Feierformen

  1. Ich finde, wir sollten das Eine tun und das Andere nicht lassen. Natürlich spricht auch manches dafür, Taufen außerhalb des Gemeindegottesdienstes stattfinden zu lassen. Aber gerade die Frage nach den personellen Ressourcen wird immer virulenter! Da bräuchten wir schon einige Täuferinnen und Täufer mehr, um zusätzliche Gottesdienste einrichten zu können. Oder aber wir lassen den einen oder anderen „normalen“ Sonntagsgottesdienst, zu dem sowieso nur noch wenige Leute kommen, sausen, zugunsten des einen oder anderen Taufgottesdienstes. Ich finde es aber andererseits irgendwie nicht gut, die unterschiedlichen Gottesdienstformate gegeneinander auszuspielen. Jeder Kasualgottesdienst ist ein ordentlicher Gottesdienst der Gemeinde! Da eine Wertung vorzunehmen, verbietet sich meiner Meinung nach. Ich bin aber ganz klar gegen Privatveranstaltungen hinter verschlossenen Türen unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Mit Verlaub: Man kann nicht einerseits den drastischen Mitgliederrückgang beklagen, und gleichzeitig eine Taufe im Gottesdienst als „Störung“ oder „nervig“ bezeichnen! Und die Taufe ist immerhin eins unserer beiden Sakramente! Und sollte uns auch weiterhin heilig bleiben! Dazu gehört eben die regelmäßige Berührung mit ihr als Tauferinnerung. Und es muss möglich sein, beides in einem Gottesdienst miteinander zu vereinbaren: Taufe und Bedienung der sogenannten „Stammkunden“.

  2. Ich träume von einem (Sonntags-)Gottesdienst, der von mehreren Generationen besucht wird, die sich aneinander freuen. Die Wirklichkeit sieht anders aus: Wenn „Taufe möglich“ im Gottesdienstplan steht, kommen nur wenige. Die Tauffamilie fühlt sich am wohlsten, wenn sie unter sich ist, ohne Beobachtung durch Fremde. Dann fühlt sich die fremde Kirche wie zu Hause an.
    Haustaufen (und Hauskonfirmationen) habe ich in der Pandemie drei Jahre lang gemacht. Das sollte nicht länger begründungspflichtig sein und auch nicht mehr als „Ausnahme“ abgestempelt werden. Haustaufen entlasten übrigens auch die Hauptamtlichen, weil zum Beispiel kein Küster gebraucht wird. Und was die anderen personellen Ressourcen angeht, muss man sich halt was überlegen. Zum Beispiel, dass das nur einmal im Monat möglich ist zu einem bestimmten Termin. Dazu müssen dann andere Sachen gelassen werden. Altenheim-Gottesdienste zum Beispiel.

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