„Was nützt uns die Himmelfahrt Christi?“

Romulus, Herakles, Iphigenie, Henoch, Elia, Jesus, Maria. Von ihnen allen wird erzählt, dass sie gen Himmel gefahren sind. Genauer gesagt: „entrückt wurden“ – dauerhaft, leiblich, ins Jenseits.
Das Besondere bei Jesus ist: Anders als die übrigen wird er nicht vor dem Tod bewahrt. Jesus wird entrückt, nachdem er gestorben, auferstanden und seinen Jünger/innen vierzig Tage lang erschienen ist (so Luk 24; Apg 1). Seine Himmelfahrt wirkt so wie eine Dopplung zur Auferstehung: Jetzt nochmal „ein Stockwerk höher“.
Viele können heute mit Himmelfahrt wenig anfangen. Mythisches Denken aus anderer Zeit.
Und assoziieren mit dem Tag eher junge Männer mit Bollerwagen und Bier – auch wenn deren Entrückung weder dauerhaft ist noch himmlisch anmutet.

Eine Pointe bekommt das Ganze erst, wenn ich es auf mein Leben, meinen Glauben beziehe. So wie es etwa der Heidelberger Katechismus in seiner schön formulierten Frage 49 tut: „Was nützt uns die Auferstehung Christi?“ Seine Antwort kurz gefasst: Erstens haben wir so einen Fürsprecher bei Gott. Zweitens wird Christus uns einmal dorthin zu sich holen. Und drittens schickt er uns seinen Geist, der uns neu ausrichtet und himmlisch orientiert leben lässt.

Ich will einmal versuchen, mit meinen Worten zu beschreiben, was mir Himmelfahrt bedeutet.
Fünf kurze, hoffentlich „nützliche“ Gedanken:

1. Die unverfügbare Wirklichkeit Gottes um uns
Ich glaube, dass Gott in meinem Leben gegenwärtig ist. Mich tröstet, leitet, schützt, bewahrt – auch wenn ich Gott nicht sehe und seine verborgene Gegenwart, wenn überhaupt, erst im Nachhinein begreife. So wie die Emmaus-Jünger, die der Auferstandene unerkannt begleitet. Der „Himmel“, in den Christus „auffährt“, ist dann nicht irgendwo oben in den Wolken. Er beschreibt vielmehr die mir unverfügbare Wirklichkeit Gottes. In ihr „leben und weben und sind wir“ (Apg 17,28). Und diese all-umfassende Wirklichkeit Gottes ist durch die Liebe bestimmt, die Jesus Christus gelebt hat. Himmelfahrt, das heißt für mich, von dieser Christus-Wirklichkeit geborgen zu sein, der all-umfassenden Liebe Gottes.

2. Verantwortung und Raum für uns
Da Jesus Christus nicht mehr sichtbar unter uns ist, ist es an mir, an uns, ihm nachzufolgen und Christinnen bzw. Christen für andere zu werden. Traurige zu trösten, mit Armen zu teilen, Schwachen zu helfen, Einsame zu besuchen, Fremde aufzunehmen. So zu leben, dass andere etwas von dieser Liebe Gottes erfahren: „Gebt ihr ihnen zu essen!“ Himmelfahrt beschreibt so eine Selbstzurücknahme Gottes, die uns Menschen Raum gibt und in die Verantwortung nimmt. Jetzt ist es an mir, an uns, im Geist Jesu Christi zu leben. In dieser Welt, aber nicht von dieser Welt zu leben. Dass Christus gen Himmel fährt, richtet meinen Blick auf die Erde: auf das, was vor meinen Händen und Füßen liegt. So wie es die Engel nach der Himmelfahrt schön ausdrücken: „Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und starrt in den Himmel?“ Schaut nach vorne, wie ihr jetzt selbst als Christinnen und Christen Verantwortung übernehmt.

3. Bridging – Himmelfahrt als Brückenschlag
In der Soziologie spricht man von „bridging (social capital)“, wenn das Vertrauen aus einer kleineren Primärgruppe auf die Gesellschaft übertragen wird. Himmelfahrt hat für mich solch eine Brückenfunktion. Die Jüngerinnen und Jünger erfahren damals, dass Christus nicht mehr leiblich bei ihnen, dafür aber nun all-gegenwärtig um sie ist. Ihr Vertrauen auf Christus über-trägt sich auf die all-umfassende Gegenwart Gottes. Himmelfahrt als Brückenschlag: zwischen Gott und Mensch, der irdischen und himmlischen Welt. Gleichsam das Gegenstück zu Weihnachten, nur dass der Mensch Jesus von Nazareth nun ganz in Gott eingeht. Und das entgrenzt die Gegenwart Christi: Es gibt nun keinen Ort auf dieser Welt, wo Christus nicht bei mir ist.

4. Unser „Bürgerrecht im Himmel“ (Phil 3,20)
So drückt Paulus den Nutzen der Himmelfahrt aus: „Wir aber sind Bürger im Himmel.“ Das ist ein Gedanke, der für Paulus als Bürger des römischen Reiches wichtig ist: Bürgerrechte im Himmel zu haben. Wir gehören als Mitbürgerinnen zu Gottes Reich, haben Teil an der Friedensherrschaft Christi. Das schenkt mir eine Freiheit im Blick auf all meine irdischen Staats- und Gemeinschaftsangehörigkeiten. Im Letzten gehöre ich zu Christus. Von daher lebe ich. Dorthin bin ich ausgerichtet. In seinem Reich habe ich meine eigentliche Heimat.

Und 5. Leben in freudiger Erwartung
Himmelfahrt steht für mich für eine offene Lücke, eine noch unerfüllte Erwartung. Ich bin noch nicht fertig, mein Leben, die Welt sind noch nicht fertig, weil Christus noch fehlt.
Wir leben in einer Zwischenzeit. Das Beste kommt noch. Und ich will mich nicht zufriedengeben, bis sein Frieden in seiner ganzen Fülle gegenwärtig da ist. Christi Himmelfahrt hat deswegen für mich etwas von einer himmlischen Orientierung meines eigenen Lebens. Es ist noch nicht erschienen, wer wir sein werden (1.Joh 3,2). Das hilft mir, mich nicht mit den ganzen Absurditäten und Sinnlosigkeiten dieser Welt abzufinden. Himmelfahrt – das ist das Hinfahrt-Ticket Christi, dessen Rückfahrt uns fest verheißen ist. Gott sei Dank!


Theologische Impulse (169) von Präses Dr. Thorsten Latzel

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