Von welcher Einheit reden wir?

 

Die renommierte Theologin Professor Dr. Dorothea Sattler war zu Gast bei der Ökumenischen Denkfabrik in Mönchengladbach.

Einmal im Jahr lädt die Ökumenische Denkfabrik in Mönchengladbach dazu ein, sich mit dem Thema Ökumene auseinanderzusetzen. Mit dabei sind Pfarrerinnen und Pfarrer, pastoral Mitarbeitende und in der Ökumene Engagierte. In diesem Jahr kamen die Denkanstöße von Prof. Dr. Dorothea Sattler, der Direktorin des Ökumenischen Instituts der Universität Münster. Die profilierte Theologin ist auch Mitglied der Ökumene-Kommission der Deutschen Bischofskonferenz und wissenschaftliche Leiterin des Ökumenischen Arbeitskreises evangelischer und katholischer Theologen.

Die gelebte Ökumene sei in Mönchengladbach „unglaublich weit“, stellt sie fest. Was hier praktiziert wird, sei keineswegs selbstverständlich. Zuvor hatte sie in ihrem Vortrag auf das formulierte Ziel der Ökumene, wie es in der Charta Oecumenica festgehalten ist, verwiesen: die sichtbare Einheit. Aber von welcher Einheit ist da die Rede? Eine organische Union? Ökumenische Kooperation? Ökumene in Stellvertretung? Einheit in versöhnter Verschiedenheit? Einheit in gestalteter Vielfalt? Alles in allem zeigt sich, dass theologisch gesehen viele Probleme bereits aus dem Weg geräumt sind, sei es bei der Rechtfertigungs- oder auch bei der Abendmahlslehre. Allerdings: „Es mangelt in vielen Bereichen an einer kirchenamtlichen Rezeption wichtiger Erkenntnisse der Ökumenischen Theologie“, stellt Sattler fest. „In der Lehre von den Sakramenten ist die Theologie weiter, als es die Rezeption spiegelt, beispielsweise bei der Frage nach dem Laienkelch.“ Was aber übrig bleibt, ist die Ämterlehre und damit verbunden die Fragen von Kirchenstruktur, Rollen und Funktionen. Hier zeichnet sich wenig Bewegung hin zu einer Verständigung über eine einheitliche Kirchenstruktur ab. Wie lässt sich also ökumenisch weiterarbeiten? Einer der Schlüssel liegt nach Meinung der Ökumenikerin in der wertschätzenden Begegnung. Es brauche viele Begegnungsräume. „Bekennende Christinnen und Christen kennen sich immer noch zu wenig“, stellt Prof. Sattler fest. Biografische Arbeit in ökumenischen Hauskreisen könne hier weiterhelfen. Christen müssen  auch in einer multireligiösen Umwelt eine gemeinsame Antwort auf die Frage, was Christsein eigentlich sei, geben können. In existentiellen Bereichen funktioniere das bereits sehr gut. „Überall dort, wo sich existenzielle Fragen stellen wie in der Notfallseelsorge, der Bahnhofsmission, der Telefon- oder der Krankenhausseelsorge wird ökumenisch gearbeitet“, sagt die katholische Theologin. Um es mit den Worten des schwedischen Theologen und Nobelpreisträgers Nathan Söderblom zu sagen: „Die Lehre trennt, der Dienst eint.“

Wichtig sei immer, da sind sich die an der Denkfabrik Teilnehmenden einig, die Ökumene als Entlastung zu begreifen, nicht als zusätzliche Arbeit. Tatsächlich funktioniert die „Ökumene als Stellvertretung“ in Mönchengladbach bereits: katholische und evangelische Pfarrpersonen vertreten sich gegenseitig beispielsweise bei Beerdigungen.

Was das Wissen um die jeweils anderen angeht, verweist Prof. Sattler auf Möglichkeit ökumenischer Präsenz in Gremien in Dauergestalt. Was bedeutet, dass man nicht übereinander, sondern miteinander redet und die Ökumene stets mitdenkt.

  • 06.06.2025
  • Angela Rietdorf
  • Red