Studierenden-Wohnheim mit neuem Gesicht

Zwei Jahre lang waren im Wohnheim der Evangelischen Studierendengemeinde in Köln die Handwerker im Einsatz. Für knapp 9,5 Millionen Euro hat die Evangelische Kirche im Rheinland das Wohnheim saniert und erweitert. Inzwischen sind alle Zimmer vermietet.

Janina Brucksch gehört zu den ersten, die in das sanierte Wohnheim eingezogen sind.

Janina Brucksch verbringt im Augenblick viel Zeit an ihrem Schreibtisch. Die Vorlesungen finden online statt, Treffen mit Freunden hat sie auf ein Minimum reduziert. „Aber ich bin richtig gerne in meinem Zimmer“, sagt die 19-Jährige und deutet auf ihr kleines Reich im fünften Stock im Wohnheim der Evangelischen Studierendengemeinde (ESG) in Köln. Auf dem tiefen Fensterbrett hat sie ein paar Kissen untergebracht und es in eine gemütliche Sitzbank verwandelt. „Meine kleine Tee-Ecke“, sagt sie lachend. „Und obwohl es gar nicht so viele Quadratmeter sind, habe ich viel Platz“, erzählt Janina Brucksch und führt die besonderen Kniffe ihres Wohnheimzimmers vor. Im Bettkasten unter der Matratze hat sie Decken und Bettzeug untergebracht, im kleinen Badezimmer gibt es viele Einbauschränke. „Jedes freie Fleckchen kann perfekt als Stauraum genutzt werden“, erzählt die Jura-Studentin, „und es fühlt sich wie ein Zuhause an.“

Viel Stauraum gibt es im Zimmer von Janina Brucksch.

Ein Passepartout, das die Studierenden mit Leben füllen

Genauso hat sich Bettina Kaiser, Architektin der Evangelischen Kirche im Rheinland, die Einrichtung des neuen Wohnheims gewünscht. „Wir wollten ein Passepartout schaffen, das die Studierenden mit Leben füllen“, erklärt sie. Die Einrichtung sollte sich zurücknehmen, funktional, hochwertig und nachhaltig sein. Mit diesem Anspruch hat Bettina Kaiser gemeinsam mit vielen anderen Fachleuten an der Seite die Sanierung und Erweiterung des ESG-Wohnheims in Köln geplant. Aus einem Bau aus den 1950er Jahren ist ein modernes Wohnheim geworden – das nicht nur allen Energievorgaben und Brandschutzauflagen entspricht, sondern auch dank eines zusätzlichen Stockwerks mehr Zimmer für Studierende bereithält als früher. Entstanden sind 103 Wohnheimplätze, moderne Küchen, ein eigenes Bad für jedes Zimmer und eine barrierefreie Wohngemeinschaft im Erdgeschoss. Außerdem wurden die Gemeinschaftsräume und das Café im Eingangsbereich modernisiert und mit neuester Technik ausgestattet.

Die Gemeinschaftsbereiche wurden modernisiert.

Das Wohnheim sollte zeitgemäß und nachhaltig sein

„Unser Ziel war ein zeitgemäßes Wohnheim, das nachhaltig ist“, erklärt die Architektin. Deswegen investierte die Landeskirche in Einzelbäder und aufwändige Be- und Entlüftungsanlagen, die mit Wärmerückgewinnung arbeiten. Alle Wände und das Dach wurden den energetischen Anforderungen entsprechend gedämmt, ein zweites Treppenhaus ist entstanden und sichert den Brandschutz, der Aufzug wurde erneuert und erweitert. Es wird mit Fernwärme geheizt, statt auf Kunststoff setzte die Architektin bei der Wahl der Fenster auf Aluminium. Auf dem Dach wurde eine Fotovoltaikanlage installiert, um Strom zu produzieren, selbst zu nutzen und einzuspeisen. Die Haustechnik wurde komplett erneuert, ein Schließsystem ermöglicht es den Studierenden mit einem programmierten Chip die Haus- und Etagentüren zu öffnen und das Müllsystem vor dem Haus zu nutzen. Knapp 9,5 Millionen Euro hat die Evangelische Kirche im Rheinland investiert, acht Fachplanungsbüros und 28 Gewerke waren beteiligt. Zwei Jahre dauerten die Vorbereitungen, bevor das Wohnheim im April 2018 still gelegt wurde, alle Hürden genommen waren und die aufwändigen Bauarbeiten beginnen konnten.

„Alles ist neu und schön und hell“

Seit April kehrt nun das Studentenleben ins Wohnheim zurück, inzwischen sind alle Zimmer vermietet – die kleinen auf der Nordseite genauso wie die größeren auf der Südseite. Janina Brucksch gehörte zu den ersten, die mit Sack und Pack in der Bachemer Straße im Stadtteil Lindenthal eingezogen sind. „Das war schon etwas Besonderes, mein Zimmer als erste Bewohnerin zu beziehen“, erzählt sie, „alles ist neu und schön und hell. Und um die Lage beneiden uns viele.“

David Gussen fühlt sich wohl im Wohnheim und weiß das eigene Bad zu schätzen.

Auch Wohnheimsprecher David Gussen erinnert sich gerne an seinen Einzug im April: „Es hat viele Vorteile, ein frisch renoviertes Wohnheim zu beziehen. Ganz praktisch: Man weiß sicher, dass alles sauber ist und man muss die Wände bei Einzug nicht streichen“, sagt er. Er wisse das eigene Bad sehr zu schätzen, die Möglichkeit, im Haus kostenlos seine Wäsche zu waschen und den Zugang zu den Lernräumen und den Klavieren. „Als ich hier einzog, gab es noch keine feste Gemeinschaft, in die man sich integrierte“, erzählt der Student, „sondern wir haben diese Gemeinschaft miteinander von Grund auf neu gebildet.“

Blick ins frisch renovierte Zimmer von David Gussen.

Architektur gibt Raum für Offenheit

Studierende aus 24 Nationen leben inzwischen im Wohnheim, 40 Männer und rund 60 Frauen, allein 18 von ihnen sind Medizinstudierende. Es ist deutlich ruhiger als sonst, weil die Studierenden die Hygieneregeln im Blick haben und wegen der Corona-Pandemie alle Veranstaltungen ausfallen müssen. „Aber wir sind eine bunte Truppe, mit vielen verschiedenen Religionen, Nationalitäten und Interessen“, erzählt Wohnheimleiterin und ESG-Pfarrerin Christiane Neufang, „uns eint das evangelische Profil: Wir leben in Offenheit und Toleranz unter einem Dach.“ Es sei schön, wenn die Architektur genau dafür Raum gebe.

Eigene Ideen wurden in die Planung eingebracht

Die Pfarrerin weiß allerdings auch um die Herausforderung, die Pläne der Architekten und das studentische Leben unter einen Hut zu bringen. Aber: „Wir haben bei der Planung auch eigene Ideen eingebracht“, erzählt Christiane Neufang und denkt an die große Gemeinschaftsküche, die im Erdgeschoss entstanden ist. Dort sollen künftig – nach Corona – gemeinsame Kochaktionen stattfinden, Studierende können ihre eigene Kultur mit kulinarischen Spezialitäten vorstellen. „Und uns war es wichtig, dass die großen Küchen auf den Etagen erhalten bleiben“, sagt die Pfarrerin.

Hell und freundlich ist auch der große Mehrzweckraum.

Eine Chillecke und andere Orte der Gemeinschaft

Gemeinsam mit der Architektin war auch über alternative Möglichkeiten mit kleineren Einheiten gesprochen worden. „Aber wir wünschen uns diese Orte der Gemeinschaft“, sagt die Pfarrerin. So haben die Studierenden vor der Sandkapelle in den vergangenen Monaten auch eine „Chillecke“ eingerichtet, Möbel gebaut und so das „Wohnzimmer des Wohnheims“ geschaffen – für eine Zeit nach Corona. Im Café im Eingangsbereich, in dem jeder willkommen ist, gibt es ebenfalls neues Mobiliar und eine große Sitzecke für das gemeinsame Essen nach den Gottesdiensten. „Wir hatten manchmal ein bisschen Sorge, dass der Umbau den Charakter des Hauses verändert“, sagt die Pfarrerin, „aber ich meine: Unser Wohnheim hat nichts an Gemütlichkeit verloren, aber an Helligkeit gewonnen.“

  • 11.12.2020
  • Theresa Demski