Was die Standorttreue angeht, so ist Pfarrer Rüdiger Klemm aus der Evangelischen Gemeinde Ruhrort-Beeck schwer zu überbieten. Er hat sein ganzes berufliches Leben im Ostacker verbracht. Dort hat er im Oktober 1986 als Vikar angefangen. Im August 1990 wurde er dort zum Pfarrer gewählt und jetzt geht er dort in Rente. Aber er geht nicht weg. „Wir bleiben hier“, sagt er fest und fügt etwas weniger gut gelaunt hinzu: „Allerdings habe ich hier im Arbeitszimmer noch knapp vierzig Jahre auszumisten, neulich bin ich in einem Schrank im Flur doch tatsächlich noch auf Unterlagen meines Vorgängers gestoßen.“ Der Trakt mit dem Arbeitszimmer wird von seiner Privatwohnung abgetrennt und weiter der Gemeinde zur Verfügung stehen, deshalb kommt er ums Ausräumen nicht herum.
Auch sein Vorgänger, Pfarrer Kurt Abel blieb im Ostacker wohnen, als er in Rente ging. Er hatte die neu entstandene Gemeinde zu der viele Berg- und Stahlarbeiter gehörten, ab 1959 aufgebaut und geprägt. Klemm war damals der einzige Vikar im Kirchenkreis Duisburg-Nord und musste sich an die weiße Alba und den Friedensgruß im Gottesdienst in der Markuskirche, die äußeren Zeichen von Abels Zugehörigkeit zur Evangelischen Michaelsbruderschaft, erst gewöhnen. Dafür war dem gebürtigen Marxloher der Umgang miteinander sofort vertraut. „Hier war ich nie der Herr Pfarrer, sondern immer der Rüdiger, nicht rausgehoben, sondern einer von ihnen “, sagt er. „Wir haben hier alle zusammen gelebt, geglaubt und gefeiert.“ Gern erinnert er sich an die Veranstaltungsreihe „Das politische Nachtgebet“, das der Kirchliche Dienst in der Arbeitswelt (KDA) lange in der Markuskirche organisiert hat. Einen Schienenstrang bis in die Markuskirche hätten die Kumpel an einem Abend verlegt und eine komplette Kohle-Lore bis zum Altar geschoben, erinnert er sich.
Einen tiefen Einschnitt in seine Arbeit brachte die Fusion der fünf ehemals selbstständigen Gemeinden Beeck, Beeckerwerth, Ostacker, Laar und Ruhrort zur Großgemeinde Ruhrort-Beeck im Jahr 2003. Die schwindenden Finanzen erzeugten einen hohen Druck, sich zusammenzufinden. Kirchen, Gemeindehäuser und Friedhöfe mussten aufgegeben werden. Die endlosen Sitzungen und Organisationsbesprechungen gehörten nicht gerade zu seinen Lieblingsaufgaben und stahlen viel Zeit, die er lieber auf die klassische Gemeindearbeit verwendet hätte.
Das Bild der Pfarrperson habe sich über die Zeit sehr verändert, stellt er nüchtern fest. „Die Erwartungshaltung den Pfarrern gegenüber ist nicht mehr besonders groß, dass nachts jemand um Hilfe und Beistand anruft, das erlebe ich seit Jahren nicht mehr.“ Nach der Fusion waren sieben Pfarrstellen in der Gemeinde besetzt, nun wird es nur noch eine geben, auch die Stelle von Klemm wird aufgehoben. Zurzeit ist die Gemeinde damit beschäftigt, die einzige Pfarrstelle neu zu besetzen. Was Klemm seiner Nachfolgerin oder seinem Nachfolger wünscht, steht schon in der originellen Stellenausschreibung, die dem Presbyterium sogar eine Bewerbung aus den USA eingebracht hat. „Ich hoffe, dass es der Gemeinde gelingt, wieder in die Stadtteile zurückzukehren und dort präsenter zu sein, als bisher“, sagt Klemm. In der Stellenausschreibung hieß es nämlich: Weiter zu machen, wie bisher wäre Wahnsinn!
Weiter machen wie bisher will auch Klemm nicht. „Jetzt mache ich erstmal ein Jahr lang gar nichts“, stellt er klar. Es mache schließlich keinen Sinn, seiner Nachfolge im Weg rumzustehen. Vielleicht verbessert er indessen sein Niederländisch und bringt mal den Garten in Schuss. Nach fast 40 Jahren wird es sich komisch anfühlen, die Verantwortung abzugeben, das gibt er zu. Und er sagt auch rückblickend: „Es war mir ein Vergnügen“.
Text: Sabine Merkelt-Rahm
Zum Bild: Es zeigt Pfarrer Rüdiger Klemm in der Markuskirche am Ostacker, Foto: Rolf Schotsch
Die Evangelische Kirchengemeinde Ruhrort-Beeck verabschiedet Pfarrer Rüdiger Klemm am 15. Juni mit einem Open-Air-Gottesdienst um 10.30 Uhr an der Markuskirche am Ostacker und lädt herzlich dazu und zur anschließenden Begegnung beim Gemeindefest rund um den Turm ein. Gewünscht hatte sich den Abschied beim Fest rund um den Kirchturm Pfarrer Klemm – denn dieses Gemeindefest die vielen Jahre mit zu organisieren, war ihm auch immer ein Vergnügen.