Am kommenden Sonntag feiern wir Pfingsten, den Geburtstag der Kirche. Gott schenkt uns seinen Geist – und uns einander als Geschwister. Ein guter Anlass, einmal zu danken! Evangelische Kirche im Rheinland: Das sind mehr als zwei Millionen Geschwister; rund 7000 Presbyter/innen; 25.000, die allein den Gemeindebrief austragen; mehr als 38.000 musikalisch Aktive; 90.000 Ehrenamtliche insgesamt, die regelmäßig Kinder-, Jugend- oder Seniorenarbeit machen, Kranke und Sterbende besuchen, Geflüchtete begleiten, für andere da sind und einfach helfen. Schön, dass es sie alle gibt! Und vielen Dank an alle, die unsere Kirche mitgestalten und erhalten – durch ihre ehrenamtliche oder berufliche Mitarbeit, ihr Engagement und Gebet, ihre Kirchensteuer und Spenden! Ich möchte mir keine Gesellschaft vorstellen, in der es Kirche nicht gibt.
Es tut gut, Pfingsten zu feiern. Weil wir all das eben nicht aus eigener Kraft können. Weil wir in einer „ver-rückten“ Welt leben. Weil es anstrengt, manches loszulassen. Und weil wir Gottes Geist gerade dringender brauchen denn je.
An drei Gaben möchte ich erinnern, die Gottes Geist in uns wirkt – nicht nur an Pfingsten.
1. Das Wunder, einander zu verstehen. Damals verstanden Menschen aus Pontus, Phrygien und Pamphylien einander. Heute fällt es mir häufig schwer, Nachbarinnen oder Kollegen zu verstehen, die wie ich deutsch sprechen. Wir reden mehr über- als miteinander oder aneinander vorbei. Gut, wenn Gottes Geist in uns „Verstehens-Wunder“ wirkt. Zunächst allein schon, dass ich verstehe, was die andere gemeint hat. Die offene Nachfrage „Hab‘ ich Dich richtig verstanden …“ wirkt hier wirklich oft wahre Wunder. Dann das Bemühen um Verständnis: Der oder die andere ist ja nicht doofer als ich. Sie haben andere Erfahrungen, Meinungen und Ansichten. Ein paar Meilen in den Schuhen der anderen gehen. Statt „Du hast aber gesagt“ ein „Ich verstehe, worum es Dir geht“. Ob es dann – so Gott will – am Ende zum Einverständnis kommt, liegt nicht in unserer Hand. Und manchmal ist es nur ehrlich sich einzugestehen: „We agree to disagree.“ Ich weiß: Das ist alles leichter geschrieben als gelebt. Und genau deswegen brauchen wir Gottes Geist.
2. Das Feuer der Hoffnung. „Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.“ (2. Tim 1,7) Das ist die Geisteshaltung, in der wir Christus nachfolgen. Das macht die Klimakrise nicht harmloser, Kriege nicht weniger schrecklich, soziale Risse nicht besser, Armut nicht weniger skandalös, die Zukunft nicht rosiger. Aber es lässt uns anders mit all dem umgehen – und nimmt ihm die Macht über uns. Wenn andere über den Zustand der Welt klagen, kümmern wir uns um unsere Nächsten. Frech achtet die Hoffnung das Konkrete. Kraft, Liebe, Besonnenheit: Das braucht unsere Gesellschaft mehr denn je. Und ich glaube, dass es Menschen verändert, wenn sie diesen Geist durch uns erfahren. Wir tun, was wir können – und trauen mit brennender Geduld darauf, dass Gott Gutes daraus machen wird. „Ich glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will. Dafür braucht er Menschen, die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen.“ (D. Bonhoeffer) Darum: Lasst uns Hoffnung leben.
3. Die Freiheit zu teilen. „… und sie teilten aus unter alle, je nachdem es einer nötig hatte. Und sie waren täglich einmütig beieinander im Tempel und brachen das Brot hier und dort in den Häusern.“ (Apg 2,45) Darin mündete das erste Pfingsten. Wir wissen, dass das mit der Einmütigkeit auch damals nicht so einfach war. Doch als Kirche Jesu Christi sind wir zuallererst: Gemeinschaft. Verbunden durch Wort und Geist, berufen zum Lieben und Teilen. Die Freiheit, mit anderen zu teilen – das betrifft unser ganzes Leben: Zeit, Geld, Arbeit, Sorgen, Freuden. Uns ist es nicht egal, wie es anderen geht. Nicht bei unseren Geschwistern, bei keinem Menschen. Deswegen gehört das Teilen zu jedem Gottesdienst wesentlich dazu – in der Kollekte, im Abendmahl, in der Fürbitte. In unserer Gesellschaft wie in unseren Gemeinden erleben wir gerade, dass Ressourcen knapper werden. Wie befreiend kann da die Botschaft von Pfingsten sein: Es ist genug für alle da. „Gebt ihr ihnen zu essen.“ (Luk 9,13) Christsein heißt, mit anderen teilen können.
An Pfingsten feiern wir einen Geisteswandel, den unsere Gesellschaft dringend braucht: den Geist Jesu Christi, der unter uns Verstehens-Wunder wirkt, der in uns eine brennende Hoffnung entzündet und der uns frei macht, mit anderen zu teilen.
Ein geisterfülltes, inspirierendes Pfingstfest!
Theologische Impulse (171) von Präses Dr. Thorsten Latzel
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