Als „ein Zeuge des Dennoch Gottes und ein Zeuge des Dennoch-Glaubens“ hat der Vizepräses der Evangelischen Kirche in Deutschland, Christoph Pistorius, den Dickenschieder Pfarrer Paul Schneider, der vor 85 Jahren im KZ Buchenwald ermordet wurde, gewürdigt. „Damit sind uns Menschen vorausgegangen, auch in der Geschichte unserer rheinischen Kirche“, so Pistorius bei der Gedenkfeier auf dem Dickenschieder Friedhof.
„Dennoch bleibe ich stets an dir“, heißt es in Psalm 73. Der das sage, lasse die Menschen an den Lasten des Lebens, an Fragen, Anfechtungen und Zweifeln teilhaben, um dann auf Gottes Dennoch als Haltung zu den Menschen und der Welt hinzuweisen, so Pistorius. „Von diesem Dennoch Gottes Zeugnis abzulegen ist uns übertragen in der Taufe als Zusage und als Auftrag“, betonte der rheinische Vizepräses.
Christoph Pistorius erinnerte in Dickenschied an den Leidens- und Lebensweg des „Predigers von Buchenwald“, der 1897 in Pferdsfeld geboren wurde und nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten schnell in Auseinandersetzungen mit den neuen Machthabern geriet. So wurde er wiederholt verhaftet, weil er seinem Glauben treu blieb und sich dem Machtanspruch des NS-Staates über alle Bereiche des Lebens widersetzte. Im KZ. Buchenwald sprach er Mitgefangenen Trost und Gottes Wort zu, bis er ermordet wurde.
Auch die damalige evangelische Kirchenleitung im Rheinland habe hier große Schuld auf sich geladen und eine unrühmliche Rolle gespielt, bekannte der Vizepräses. Vor 25 Jahren sei es am Rande einer Veranstaltung der Kirchenkreise Simmern-Trarbach und Trier zu Paul Schneider eine Debatte um dessen Rehabilitierung gekommen, die noch am gleichen Abend zu Unterschriftsaktionen in beiden Kirchenkreisen führte. „Bis heute bleibt für mich die darauffolgende Intervention aus der damaligen Kirchenleitung irritierend: Da gebe es doch eigentlich nichts zu rehabilitieren…“, kritisiert Pistorius.
Wer sich intensiver mit Paul Schneider befasse, komme aber auch um die Frage nicht herum, wie Kirche und Gesellschaft heute mit ihm umgehen würden. „Er hatte eine sehr klare Haltung mit sehr klaren Moralvorstellungen. Ob wir ihn heute aushalten würden? Ob er uns aushalten würde?“, gab der Vizepräses in Dickenschied zu bedenken.
Die Frage danach, woher Schneider aber die Kraft bezogen habe, seinen Weg zu gehen, lenke auch wieder den Blick auf das Dennoch des Glaubens. Pistorius: „Es ist das Dennoch, das uns als Zuspruch und Anspruch durch unser Leben begleitet, das uns Orientierung und Kraft gibt für unser Leben und Arbeiten, für die Gestaltung unserer Gesellschaft, aber auch in den Fragen unseres persönlichen Lebens, auch in den ganz existenziellen Fragen am Ende unseres Lebens oder in Sorge um das Liebsten, gerade dann, wenn wir meinen, die Last des Lebens sei nicht mehr zu schultern.“ Gerade dann brauche es Menschen, die mit oder für uns dieses Psalmwort beten würden, so der Vizepräses.
Viele Menschen waren zu dieser Gedenkfeier in Dickenschied gekommen, aus Dickenschied, aus anderen Hunsrücker Gemeinden, aus der Ökumene. Auch der jüngste Sohn von Paul und Margarete Schneider, Adolf Schneider, und der Superintendent des Kirchenkreises Simmern-Trarbach, Markus Risch, sowie der frühere Superintendent Winfried Oberlinger, nahmen daran teil. Musikalisch umrahmt wurde die Feier wie in all den Jahren vom Musikverein Dickenschied, der 1965 zu den Initiatoren der ersten Gedenkfeier für Paul Schneider gehörte.
Auch in Weimar wurde zum Todestag an Pfarrer Paul Schneider erinnert. Bei einem ökumenischen Gedenkgottesdienst auf dem Appellplatz der Gedenkstätte Buchenwald predigte hier der Regionalbischof des Sprengels Erfurt der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, Tobias Schüler. Vor dem Gottesdienst gab es auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers eine historische Führung auf den Spuren von Paul Schneider.