"Dein Wort ist meine Speise"

Broich-Saarn

„45 intensive und dichte Minuten“, so Pfarrerin Kerstin Ulrich, erlebte sie gemeinsam mit Ihrer Gemeinde beim Gottesdienst unter dem Titel „Dein Wort ist meine Speise“. Was in der Liveübertragung nach kaum einer Drei-viertelstunde vorbei war, hat beinahe ein Jahr an Vorbereitung gebraucht. Dazu gehörten auch Trainings für Pfarrer Christoph Pfeiffer und Pfarrerin Kerstin Ulrich, die den Gottesdienst gemeinsam mit Gemeindemitgliedern gestalteten. „Ein spannender Lernprozess“, wie Pfarrerin Kerstin Ulrich berichtet. „Ich habe neu über meine Art und Weise zu predigen nachgedacht. Mitgenommen habe ich: Es geht nicht so sehr um das Erklären von Bibeltexten, sondern vielmehr darum, Menschen zu begeistern.“

Der Kontakt zur EKD-Rundfunkbeauftragten und damit zum ZDF kam durch die intensive Trauerarbeit der Gemeinde zustande. Online stieß die ZDF-Senderbeauftragte auf die vielfältig und ökumenisch aufgestellten Angebote. „Die Trauerarbeit ist mir von Herzen wichtig“, sagt Christoph Pfeiffer, der gemeinsam mit einem Team die Angebote in der Gemeinde betreut. „Uns liegt daran, zu zeigen, wie sich Menschen in der Gemeinde untereinander trösten“. So sahen die ZDF-Zuschauer am Sonntag während des Gottes-dienstes etwa kurze Einspielfilme vom Aubergfriedhof und aus dem Trauercafé der Gemeinde. Im Gottesdienst gaben Gemeindemitglieder und Teil-nehmende der Trauergruppen gaben in Gebeten und persönlichen Beiträgen Einblick in ihre Erfahrungen mit dem Verlust eines Menschen. 

In die Predigt webte Pfarrerin Kerstin Ulrich auch persönliche Erfahrungen ein: Sie berichtete über Friedhofsbeuche mit der Großmutter, bis sie eines Tages herausbekommt, dass es das Grab der eigenen Mutter ist, das sie mit der Oma regelmäßig aufsuchte. Die Gemeinde hört von ihrer Trauer, aber auch vom gefundenen Trost, von biblischen Bildern als Seelennahrung und von Worten, die Wärme geben wie der Marmorkuchen der Großmutter nach dem Friedhofsbesuch. 

Nicht nur Worte und Begegnung, auch Melodien trösten. Dazu trugen die musikalischen Gestalterinnen und Gestalter des Gottesdienstes bei: als Vokalsolistin Felicia Friedrich, Saxofonist Ralph Bazzanella, das Vokalprojekt Links der Ruhr, Kirchenmusiker Sven Schneider an der Orgel sowie Kreiskantor Detlef Hilder (Flügel und musikalische Leitung). 

Die fast 120 Jahre alte Kirche an der Wilhelminenstraße wurde für die Live-übetragung mit viel moderner Technik fernsehfit gemacht. „Die größte Herausforderung ist eigentlich, immer alles unterzubringen“, sagt Produktionsleiterin Sylke Hart vom ZDF. In Broich hat’s hervorragend funktioniert: Drei Kameras im Kirchenraum, eine vierte auf der Empore, dazu jede Menge Schweinwerfer, die von oben das gesamte Kirchenschiff ausleuchten und manchen Gottesdienstteilnehmer in den Bankreihen ungewohnt blendeten. Dass kurz vor der Abfahrt nach Mülheim ein Ü-Wagen ausfiel, ein Wagen mit Lichttechnik auf einer vollgesperrten Autobahn steckenblieb – alles steckt das ZDF-Team mit Routine weg. 70 oder 80 Fernsehgottesdienste hat Sylke Hart in den letzten Jahren schon produziert, davor auch Shows oder Sportsendungen. Die Zusammenarbeit mit den Kirchengemeinden weiß sie zu schätzen: „Man trifft immer wieder tolle Menschen, lernt außerdem Kirchen in ganz Deutschland kennen.“ 

Damit sonntags aus Broich gesendet werden kann, waren freitags die LKWs mit Übertragungstechnik vorgefahren, die Grünflächen an der Kirche und Parkstreifen rundum sind mit Technik- und Ü-Wagen belegt. Zwei Tage lang wird vor der Livesendung in der Kirche an der Wilhelminenstraße geprobt. Am Freitagabend treffen sich alle Beteiligten zu einem ersten Durchlauf. Den ganzen Samstag über ist in der Kirche reger Betrieb. Einzelne Bilder werden vorab aufgezeichnet: das Glockenläuten, Bilder von Fernstern, Kerzen, Orgelpfeifen und einen Eintrag ins Trauerbuch. Danach müssen die Musiker, Sängerinnen und Sänger zur Tonprobe, alle Beteiligten zur Regieprobe und anschließend noch einmal zur Generalprobe ran. 

Nicht nur die Profis vom Fernsehen waren rund um die Broicher Kirche auf den Beinen, sondern auch viele Gemeindemitglieder, die das große Vorhaben unterstützen: beim Ausladen und Umräumen helfen, alle mit Brötchen, Kuchen und Suppe versorgen oder, quasi als Besucherstatisten, der Probe beiwohnen. Und für die Gemeindemitglieder ist der Gottesdienst-Tag auch noch nicht vorbei, als im ZDF pünktlich um Viertel nach Zehn zum Wintersport geschaltet wird. Noch bis 19 Uhr übernehmen 13 Ehrenamtliche aus der Kirchenge-meinde den Dienst am Zuschauertelefon. 
 

  • 25.11.2019
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