Auf dem Weg zur eucharistischen Gastfreundschaft

Kirchenkreis An der Ruhr

Superintendent Hillebrand und Stadtdechant Janßen beim Gottesdienst zum ersten ökumenischen Neujahrsempfang in Mülheim. Foto: Oliver T. Müller, Bistum Essen

Wie ist es dazu gekommen, dass evangelische und katholische Kirche in diesem Jahr zum ersten Mal gemeinsam zu einem ökumenischen Neujahrsempfang eingeladen haben?
Stadtdechant Michael Janßen: 
Den Wunsch hatte ich schon, seitdem ich Stadtdechant bin, jetzt ist es endlich gelungen. Ich finde es schön, dass wir gemeinsam ein starkes ökumenisches Zeichen in der Öffentlichkeit setzen. So hatte ich es mir gewünscht und so wurde es auch wahrgenommen. 
Superintendent Gerald Hillebrand: 
Wir haben viel Verbindendes. Das wollen wir auch zum Ausdruck bringen. Das gemeinsam in großer ökumenischer Verbundenheit zu feiern, war längst überfällig. 

Welche Erfolge gibt es in der ökumenischen Zusammenarbeit vor Ort?
Superintendent und Stadtdechant zählen gemeinsame Projekte auf: ökumenische Gottesdienste in Gemeinden, an Schulen und zu besonderen Gelegenheiten wie beim Friedensgebet oder für die durch die Stadt beigesetzten Mülheimerinnen und Mülheimer. Es gibt das ökumenische Familienzentrum Kirchenhügel, ökumenische Gemeindefeste und Martinsumzüge. 
Janßen: Und an vielen weiteren Stellen wird Ökumene einfach gelebt, ohne dass etwas „offiziell“ zu einem ökumenischen Projekt erklärt wird. In den Voten aus den Pfarreien zum Pfarrentwicklungsprozess steht „Ökumene“ auch oft ganz weit oben. 
Hillebrand: Ich freue mich auch über den Zuspruch aus dem Bistum, der es uns ermöglicht, zu besonderen Gelegenheiten auch sonntags gemeinsam Gottesdienst zu feiern, bislang stand ja oft die Messpflicht dagegen. Das macht mir Mut, auch künftig weiter in diese Richtung zu gehen. 

Welche weiteren Schritte können sie sich vorstellen, wären etwa gemeinsam genutzte Kirchen denkbar?
Hillebrand: Das wäre wirkliches Neuland in Mülheim. Wir werden durch unsere Landeskirche auch ermutigt, dieses Neuland zu erkunden. Allerdings ist in der evangelischen Kirche immer ein Beschluss der Gemeinde nötig, der die entsprechende Kirche gehört. So etwas kann nicht verordnet werden. 
Janßen: Katastrophal wäre für mich, wenn es in einem Stadtteil gar keine Kirche mehr gäbe, weil sowohl die Evangelischen als auch die Katholischen ihr Gotteshaus aufgegeben hätte. Dann sollte man doch noch einmal schauen, ob da nicht etwas gemeinsam geht. 
Kirchen kann man ja auch multifunktional nutzen, andere Zwecke wie Aufenthaltsmöglichkeiten für Gemeindegruppen dort integrieren. Ein Gemeindezentrum kann man viel leichter an einen anderen Nutzer verkaufen oder vermieten.
Hillebrand: Ja richtig, wir sollten keinen Kirchturm leichtfertig aufgeben. 
Janßen: Eine gemeinsame Ladenkirche hielte ich immer noch für wünschenswert. Jedoch ist das zuletzt an finanziellen Fragen gescheitert, wir können das Projekt nicht in gleicher Weise mit hauptamtlichem Personal ausstatten wie der Evangelische Kirchenkreis
Hillebrand: Ja, da haben wir etwas mehr Spielräume auf der lokalen Ebene, die wir für solche Projekte nutzen. 

Welche Rolle spielt die Konfessionalität denn für die Gläubigen?
Hillebrand: Das Bewusstsein dafür schwindet. Das sehen wir auch in den Weihnachtsgottesdiensten. Die Familien orientieren, sich daran, in welcher Kirche sie sich gut aufgehoben fühlen oder welches Gotteshaus sie zu Fuß gut erreichen können. 
Janßen: Für viele zählen eher allgemein christliche Werte als die Konfession. 
Hillebrand: So erfahren wir das auch von den KiTa-Eltern. Die legen Wert darauf, dass die Kinder die Geschichten zu Weihnachten, Ostern und anderen Festen kennenlernen. 

Gibt es nicht auch noch Trennendes zwischen den Konfessionen?
Janßen: Schon, das Kirchenverständnis unterscheidet sich ebenso da Verständnis von Amt und Abendmahl.
Hillebrand: Ich bin ganz zuversichtlich, dass wir über die Jahre so etwas wie eine „eucharistische Gastfreundschaft“ hinbekommen. Daraus muss noch kein gemeinsames Verständnis des Sakraments erwachsen. Aber es wäre doch schön, im Namen Jesu alle zum Mahl einzuladen. Und wer die Einladung gerne annehmen mag, ist dann auch willkommen. 
Janßen: Beim Gottesdienst zum Reformationsjubiläum in der Petrikirche hatte ich die Vision einer eucharistischen Gastfreundschaft ja schon einmal angesprochen. Dazu bräuchte es sicher auch eine theologische Fundierung, an der die ließe sich ja arbeiten. 

Und wie ist es mit dem Papstamt?
Janßen: Ich könnte mir vorstellen, dass sich nicht wenige Evangelische sich gerade von einem Papst wie dem Aktuellen gut repräsentiert fühlen. Das muss man nicht so weit auslegen, dass die kirchliche Jurisdiktion davon abhinge. Eher in der Art eines symbolischen Repräsentanten, vielleicht eines gemeinsamen Kirchensprechers.
Hillebrand: Naja, damit täte ich mich doch etwas schwer. Auch mit Blick auf die sehr unterschiedliche Situation in den verschiedenen Ländern der Weltkirche, wäre das Zusammengehen nicht an jedem Ort so selbstverständlich. 

Warum braucht die säkulare Stadtgesellschaft denn einen ökumenischen Beitrag?
Hillebrand: Das sind unsere Wertvorstellungen, die wir auch mit vielen teilen, die unserer Kirche nicht angehören: Respekt, Toleranz, Einsatz für Teilhabe und Gerechtigkeit. Dafür stehen wir gemeinsam ein. 
Janßen: Wir sprechen gemeinsam mit einer Stimme gegen Ausländerfeindlichkeit, gegen Antisemitismus und Rassismus. 
Hillebrand: Deshalb haben wir uns auch gemeinsam gegen die Inhalte der AfD positioniert. Wir treten gemeinsam für unsere Werte und unser christliches Menschenbild ein. 
Janßen: Auch wenn die Institution Kirche im Ansehen jüngst gelitten haben mag, spüre ich, dass unsere Werte immer noch sehr anerkannt sind. Auch und gerade bei jungen Menschen. 
 

  • 20.12.2019
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