„Ein Friedhof ist ein Leckerbissen für alle Tierchen“

Entlang der Hauptstraße geht es vorbei an einer hohen Mauer. Durch ein großes schmiedeeisernes Tor betritt man eine ruhige Welt, die aber auf ihrer Weise sehr lebendig ist: Die Rede ist von dem 2,3 Hektar großen Evangelischen Friedhof Wickrathberg in Mönchengladbach, der biodivers gestaltet wird.

Biodiversität meint Maßnahmen zur Förderung der biologischen Vielfalt. Es geht um Natur- und Artenschutz, der dazu beiträgt, dass das Klima geschützt und die Schöpfung bewahrt wird. Friedhöfe eignen sich dafür sehr gut, sagt Esther Gommel-Packbier, Pfarrerin der Evangelischen Kirchengemeinde Wickrathberg. „Ein Friedhof ist ein Leckerbissen für alle Tierchen. Es ist ruhig, Tiere haben Platz und die Natur wird weitestgehend in Ruhe gelassen. Lebensräume werden nicht gestört, sondern durch kleine Veränderungen hier und da neu erschaffen.“ Es herrsche ein eigener Kreislauf der Natur: „Verstorbene Menschen finden hier ihre Ruhe, während im Nistkasten am Baum vielleicht gerade ein neues Leben beginnt.“

Platz für Insektenhotels und Ohrenkneiferburgen

Bei einem Besuch des Friedhofs fallen die kleinen, aber dennoch so nützlichen Veränderungen kaum auf. Am Rand des Friedhofs, in Richtung eines Feldes, stehen Greifvogeljulen. Hier und da hängt an einem Baum ein Insektenhotel, ein Vogelnistkasten oder eine sogenannte Ohrenkneiferburg, die kleinen Krabbeltieren Unterschlupf zum Überwintern oder Vermehren bietet. An der nächsten Ecke befindet sich eine Grünfläche auf der Wildblumen wachsen und an vielen Stellen stehen kleine Wasserschalen, wo Vögel, Eichhörnchen und Igel trinken können. Auch die Bienenvölker eines Jungimkers haben ihr Zuhause auf dem Friedhof gefunden. Etwas abgelegen, neben den Wiesengräbern, stehen die vier Bienenstöcke. Im nächsten Jahr kann die Gemeinde den Honig kaufen. Das erworbene Geld spendet der Imker für eine Obstbaumwiese.

 

Ein Insektenhotel mitten auf dem Evangelischen Friedhof Wickrathberg.

Alle helfen mit, die biologische Vielfalt zu fördern

Die Bereitschaft, die biodiverse Gestaltung zu unterstützen, sei bei den Friedhofsbesucherinnen und -besuchern groß, sagt Esther Gommel-Packbier. „Im Sommer sind zum Beispiel die Wasserschalen immer gut befüllt gewesen, da alle mithelfen.“ Der ortsansässige Kindergarten pflege ein sogenanntes Hildegard-von-Bingen-Grab, auf dem verschiedene Kräuter gepflanzt sind. Der Heimatverein und viele Ehrenamtliche aus der Kirchengemeinde kümmerten sich um den Erhalt der biologischen Vielfalt. „Für viele Menschen in Wickrathberg hat der Friedhof eine große Bedeutung“, erzählt die Pfarrerin. Er sei ein Teil des Lebens und helfe den Menschen bei Trauer, böte Zuversicht und Hoffnung. „Man trifft sich, setzt sich auf eine der vielen Bänke, hört sich gegenseitig zu oder lauscht den Vögeln.“

Offizieller Ort der Hoffnung

Ein Ort der Hoffnung mit Platz für Mensch, Tier und Pflanzen – auch ganz offiziell, denn seit dem Sommer 2021 ist der Evangelische Friedhof in Mönchengladbach-Wickrathberg Teil der Initiative „Evangelischer Friedhof – Ort der Hoffnung“. Der Initiative liegt die Auffassung zu Grunde, dass christliche Friedhöfe nicht nur Orte der Trauer um die Verstorbenen sind, sondern auch Orte der Hoffnung. Denn: Christinnen und Christen glauben an die Auferstehung und das ewige Leben. Gemeinden, die sich an der Initiative „Ort der Hoffnung“ beteiligen, legen Wert auf eine besondere Friedhofsgestaltung, die unter anderem Biodiversität in den Blick nimmt.

 

An jedem Eingang zum Evangelischen Friedhof Wickrathberg befindet sich das offizielle „Ort der Hoffnung“ Schild.

 

Nicht nur auf Friedhöfen, sondern auch in und um Kirchen haben sich viele Tiere angesiedelt. In unserer Serie „Tiere in der Kirche“ haben wir so schon gezeigt, wie Turmfalken, Schleiereulen und Fledermäuse leben. In einem weiteren Teil erfahren Sie, wie Gemeinden Bienen schützen und in Kirchgärten angesiedelt haben und wie ein Hund bei der Seelsorge hilft.

  • 8.12.2021
  • Lina Zittrich
  • Lina Zittrich