Aktionstag gegen Atomwaffen: „Wir haben eher eine Auf- statt Abrüstung“

Der Fliegerhorst in Büchel gilt als der einzige Standort in Deutschland, an dem noch US-Atomwaffen gelagert werden. Dagegen demonstriert die Projektgruppe Kirchen gegen Atomwaffen. Am 3. Juli lädt sie zum 4. Kirchlichen Aktionstag für eine atomwaffenfreie Welt ein. Zu den Organisatoren zählt Ulrich Suppus vom Verein für friedenspolitische und demokratische Bildung Hunsrück. Der langjährige Mitarbeiter der rheinischen Kirche spricht im Interview über die Forderungen der Beteiligten und die Rolle Deutschlands bei der atomaren Abrüstung.

Herr Suppus, was steckt hinter dem Aktionstag?

Ulrich Suppus: Dahinter steckt die seit Jahren anhaltende Auseinandersetzung um die atomare Bewaffnung. Wir wissen, auch wenn die Politik das immer abstreitet, dass auf dem Fliegerhorst Büchel in der Eifel noch 20 Atomwaffen gelagert werden. Weitere gibt es in anderen Ländern Europas, die wie Deutschland in der NATO an der sogenannten atomaren Teilhabe festhalten. Das bedeutet: Die in Büchel gelagerten Waffen werden von amerikanischen Soldaten bewacht, eine deutsche Fliegerstaffel wird für deren Einsatz jedoch trainiert und bereitgehalten. Dagegen richtet sich unser Aktionstag.

Die Deutschen sind somit letzten Endes doch daran beteiligt, wenn diese Waffen zum Einsatz kommen.

Suppus: Richtig. Die Hilfskonstruktion der atomaren Teilhabe gibt es, weil wir als Staat Deutschland eigentlich gar nicht befugt und berechtigt sind, Atomwaffen zu besitzen. Aber wir tun es auf diese Art dann ja doch. Wer sich aber jemals die Gräuel der Atomwaffenabwürfe in Nagasaki und Hiroshima angesehen hat, der kann dieses menschenverachtende Abschreckungssystem eigentlich nicht aufrechterhalten.

Was fordern sie mit Ihren Mitstreiterinnen und Mitstreitern genau?

Ulrich Suppus

Suppus: Wir fordern, dass die Atomwaffen in Deutschland, aber auch weltweit abgeschafft werden. Außerdem fordern wir, dass die Bundesregierung den Atomwaffenverbotsvertrag unterzeichnet. Der Vertrag wurde von der UNO abgeschlossen und ist im Januar 2021 zu internationalem Recht geworden, weil ein 50. Staat den Vertrag ratifiziert hat. Darüber hinaus fordern wir, dass das Atomwaffenverbot im Grundgesetz verankert wird und die Bundesregierung die Außen- und Sicherheitspolitik zivil ausrichtet.

Wie sieht denn die Lage in Sachen Abrüstung in Büchel aus?

Suppus: Es gibt Beschlüsse der NATO, die Atomwaffen, die in Büchel gelagert sind, zu modernisieren. Wir wissen, dass es dabei um einen Austausch des Waffensystems geht. Die Bomben, die derzeit in Büchel lagern, werden unter einen Jagdbomber geklinkt und über dem Ziel abgeworfen. Sie sollen nun durch Atomwaffen ersetzt werden, die zusätzlich lenkbar sind. Damit soll eine zielgenauere Bombardierung ermöglicht werden. Faktisch macht das den Einsatz einfacher, weil sich das abwerfende Flugzeug nicht mehr selbst in Gefahr bringt. Wir haben hier also eher eine Auf- statt Abrüstung. Dafür spricht auch, dass der Flughafen in den kommenden Jahren für mehr als 460 Millionen Euro modernisiert wird.

Warum ist es wichtig, dass wir als Kirche uns dieses Themas annehmen?

Suppus: Ganz grundlegend ist das Tötungsverbot Teil der Zehn Gebote. Ich finde, dieses Gebot ist wichtig und hat Gültigkeit. Deshalb bin ich davon überzeugt, dass wir als Kirche sehr kritisch gegenüber Armeen sein müssen, in denen Menschen geschult werden, andere umzubringen. Häufig wird gesagt, dass eine Welt ohne Militär die Realität verkenne. Dabei zeigen wissenschaftliche Untersuchungen: Konflikte, die mit friedlichen Mitteln beigelegt worden sind, sorgen für einen nachhaltigeren Frieden und ermöglichen ein gutes Zusammenleben auch zwischen verfeindeten Volksgruppen. Es gibt also genügend Argumente, einen Schlussstrich bei den Atomwaffen zu ziehen.

Wie sieht die Unterstützung durch die Kirchen aus?

Suppus: Beispielsweise forderte Papst Franziskus Anfang des Jahres die völlige Ächtung von Atomwaffen. Die Evangelische Kirche in Deutschland hat klar Stellung gegen Atomwaffen bezogen. Und die Evangelische Kirche im Rheinland hat auf der Landessynode 2021 im Januar ihren Beschluss zum Abzug der Atomwaffen in Büchel bekräftigt und die Kirchenleitung damit beauftragt, sich dafür einzusetzen, dass Deutschland den Atomwaffenverbotsvertag unterzeichnet. Es gibt in allen Kirchen, allen voran auch im Ökumenischen Rat der Kirchen, seit vielen Jahren Beschlüsse und Aufforderungen zum Verlassen dieses atomaren Wegs. Wir verstehen unsere Arbeit als eine Umsetzung dieser Beschlusslagen. Und wir sehen in unserer Initiative ein stringentes kirchliches Handeln. Denn als Kirche ist es unsere Aufgabe, uns für Frieden auf der Welt einzusetzen.

Was ist am Kirchlichen Aktionstag für eine atomwaffenfreie Welt in Büchel geplant?

Suppus: Los geht es um 11.58 Uhr mit einer Schweigeminute. Die Uhrzeit geht darauf zurück, dass die Doomsday Clock, die vor einer atomaren Katastrophe warnt, auf 100 Sekunden vor zwölf steht. Um 12 Uhr beginnt dann der Gottesdienst, der in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Akademie in Bonn live gestreamt wird. Beteiligt sind unter anderem die Kirchenpräsidentin der Evangelischen Kirche der Pfalz, Pfarrerin Dorothee Wüst, und Peter Kohlgraf, Bischof von Mainz und Präsident von Pax Christi Deutschland. Außerdem gibt es drei Redebeiträge zur Atomwaffenproblematik aus Wissenschaft, Kultur, Friedensbewegung und Theologie. Sie sind jeweils als Videos online zu sehen.

Was macht Ihnen Hoffnung, dass Ihr Einsatz Früchte trägt?

Suppus: Wir haben im Moment das Glück, dass es eine starke Bewegung unter jungen Menschen gibt, die sich für die Umwelt einsetzen. Da sehen wir eine große Schnittmenge zwischen unseren und ihren Forderungen. Oft wird es ja auch so abgetan: „Ach, das sind wieder die alten Forderungen derjenigen, die schon früher auf die Straße gegangen sind.“ Die Jugendlichen beweisen aber im Moment das Gegenteil. Ohnehin demonstrieren wir hier ja nicht einfach gegen Atomwaffen, sondern treten für Gerechtigkeit und Frieden auf der Welt und mit unserer Umwelt ein. Das treibt auch die junge Generation um. Und das macht mir Hoffnung.

Zur Person: Ulrich Suppus (66) hat fast sein ganzes Berufsleben in der evangelischen Jugendarbeit verbracht. Als Jugendmitarbeiter und Jugendleiter war er in Kirchengemeinden in Düsseldorf, Essen und Mayen tätig. Die letzten 25 Jahre bis zu seiner Rente arbeitete er in der Außenstelle Koblenz des Amts für Jugendarbeit der rheinischen Kirche. Als Jugendbildungsreferent hat er dort den konziliaren Prozess für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung bearbeitet. Noch heute setzt er sich vielfach für diese Themen ein.

Info: Kirchlicher Aktionstag für atomwaffenfreie Welt

Der 4. Kirchliche Aktionstag für eine atomwaffenfreie Welt ist am 3. Juli 2021. Organisiert wird er von der Projektgruppe Kirchen gegen Atomwaffen in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Akademie im Rheinland. Die Projektgruppe setzt sich zusammen aus kirchlichen Friedensgruppen und Arbeitsstellen in den Landeskirchen in Baden, Bayern, Hessen-Nassau und Kurhessen-Waldeck, in der Pfalz, im Rheinland, Westfalen und Württemberg sowie dem Bundesverband der katholischen Friedensbewegung Pax Christi. Träger ist der Verein für friedenspolitische und demokratische Bildung. Alle Informationen zum Programm des Aktionstags und den Link zum Gottesdienst gibt es hier sowie auf der Seite der Evangelischen Akademie im Rheinland.

  • 24.6.2021
  • Andreas Attinger
  • Kirchen gegen Atomwaffen