Wort der Evangelischen Kirche in Oberhausen zum Krieg in der Ukraine

Krieg ist für uns Christinnen und Christen immer ein Ausdruck dafür, dass wir Menschen uns mit unserem Handeln von Gott und von unserer schöpfungsgemäßen Bestimmung entfernt haben. Krieg darf nach Gottes Willen nicht sein-und dennoch ist er bittere Realität. Wir leben von der Hoffnung darauf, dass Gott eines Tages alle Kriege beenden wird: „Er wird alle ihre Tränen abwischen. Es wird keinen Tod mehr geben, kein Leid und keine Schmerzen, und es werden keine Angstschreie mehr zu hören sein. Denn was früher war, ist vergangen.“ (Offenbarung 21,4)

 

1) In Europa herrscht wieder ein Krieg. Es ist nicht der erste Krieg in Europa seit dem Ende des 2. Weltkrieges, und dennoch ist es ein Krieg, der uns Menschen in Oberhausen besonders nahe geht. Das mag daran liegen, dass uns die Aussöhnung mit den Menschen in der Ukraine für die Gräueltaten deutscher Soldaten im 2. Weltkrieg spätestens seit Begründung der Partnerschaft zwischen Saporishja und Oberhausen ein wichtiges Anliegen ist. Auch die Aussöhnung mit den Menschen in Russland ist ein bleibendes Thema der Evangelischen Kirche im Rheinland, deren Teil wir sind; sie findet ihren Ausdruck in dem seit mehr als 30 Jahren bestehenden Heilpädagogischen Zentrum im russischen Pskow in der Nähe von St. Petersburg, das von unserer Kirche gegründet und finanziell getragen wurde und wird.

 

2) Wir stellen fest, dass dieser Krieg ohne Anlass und Legitimation von der russischen Seite aus begonnen wurde. Die von Präsident Putin offiziell angeführten Gründe sind haltlos und beruhen auf Unwahrheiten.

 

3) Als Kirche auf dem Weg zu einem gerechten Frieden hat unsere Landessynode im Januar 2021 erneut festgehalten, dass zivilgesellschaftliche Konfliktlösungen immer die Priorität vor militärischen Lösungen haben müssen.Wir müssen aber feststellen, dass die Versuche von Diplomatie und Politik, diesen Krieg zu verhindern, gescheitert sind. Wir bestärken unsere Bundesregierung sowie die Verantwortlichen in der NATO darin, auch in dieser Situation noch weiterhin nach nicht-militärischen Mitteln zu suchen, um diesen Krieg zu beenden.

 

4) Aber wir dürfen bis zum Finden anderer Lösungen auch nicht tatenlos zusehen, wie mitten in Europa ein friedliches Land den territorialen Ansprüchen eines Aggressors zum Opfer fällt.Die ukrainische Seite hat das legitime Recht, sich gegen diese Aggression zu verteidigen und es ist in dieser Situation geboten, der Ukraine darin beizustehen, ausdrücklich auch durch direkte oder indirekte Waffenlieferungen.Ein einseitiger Gewaltverzicht der Ukraine hätte nicht einen gerechten Frieden, sondern „Kolonialisierung, Unterwerfung und kulturelle Auslöschung“1zur Folge.

 

5) Mit dem Ja zu Waffenlieferungen an die Ukraine überschreiten wir eine Grenze, die uns als Kirche in der Vergangenheit äußerst wichtig war. Wir tun das nicht leichtfertig. Dabei machen wir uns in gewissem Sinne mitschuldig, aber es ist, wie Bonhoeffer es sagen würde, eine verantwortliche Schuldübernahme.

 

6) Wir sind uns bewusst, dass ein Mehr an Waffen immer auch die Gefahr eines Mehr an Gewalt und Zerstörung in sich birgt. Daher bedarf es neben den Waffenlieferungen auch und vor allem einer politischen Strategie, die ein möglichst baldiges Ende des Krieges zum Ziel haben muss. Das Ziel des Waffeneinsatzes muss daher die Wiederaufnahme politischer Verhandlungen sein.

 

7) Mit großer Entschiedenheit stellen wir uns gegen die Versuche der Russisch-Orthodoxen Kirche in Russland und ihres Patriarchen Kyrill, diesen Krieg theologisch zu rechtfertigen und zu unterstützen. Kyrill und seine Kirche haben mit dieser Entscheidung den Boden des Evangeliums verlassen.

 

8) Wir sehen neben dem in den Medien derzeit beherrschenden Thema ‚Krieg in der Ukraine‘ aberauch weiterhin die anderen existenzbedrohenden Themen unserer Zeit. Die Ratsvorsitzende der EKD, Annette Kurschus hat in einem Statement gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland am 27.04.22 in diesem Zusammenhang auf zentrale Probleme verwiesen,die eben nicht mit Waffen gelöst werden könnten. „Um nur zwei Beispiele zu nennen: Die Klimakrise pausiert nicht, aber die internationale Arbeit an diesem Menschheitsproblem derzeit anscheinend schon. Und in vielen Ländern werden Menschenleben sehr bald nicht von Panzern und Gewehren, sondern von leeren Tellern bedroht sein“2.

 

9) Mit großer Freude sehen wir die Bereitschaft der Menschen in unserer Evangelischen Kirche, in Oberhausen und in ganz Deutschland, den aus der Ukraine zu uns geflüchteten Menschen weitgehende Hilfen zukommen zu lassen. Diese Hilfen sind vorbildlich! Wir erwarten von Bund, Land und Kommune, dass sie dieses vorbildhafte Verhalten auch allen anderen vor Krieg, Hunger, Verfolgung und Vernichtung zu uns geflüchteten Menschen gegenüber umsetzt.

 


1Hans Michael Heinig, https://www.sonntagsblatt.de/artikel/kirche/weiter-streit-um-evangelische-friedensethik-ukrainischer-gewaltverzicht-muendet
2Annette Kurschus, https://www.ekd.de/ekd-ratsvorsitzende-unterstuetzt-deutsche-waffenlieferungen-an-73132.htm
  • 4.8.2022
  • Red