Das Abendmahl und der Mut zur Grenzüberschreitung

Die wechselseitige Einladung von Katholiken und Protestanten zu Abendmahl und Eucharistie ist möglich. Das war im September 2019 das Votum der Schrift „Gemeinsam am Tisch des Herrn“, die der Ökumenische Arbeitskreis evangelischer und katholischer Theologen (ÖAK) in einem mehr als zehnjährigen Prozess erarbeitet hatte. Und das war am Freitagnachmittag auch Konsens der Gesprächsrunde des Bistums Trier in Kooperation mit dem Ökumenischen Institut für interreligiösen Dialog an der Universität Trier anlässlich des Ökumenischen Kirchentags. Der rheinische Präses Dr. Thorsten Latzel plädierte dabei für mehr Bereitschaft zur jesuanischen Praxis, „über Grenzen hinwegzugehen“.

Der Tübinger Theologie-Professor Volker Leppin, auf evangelischer Seite wissenschaftlicher Leiter des ÖAK, hatte gleich zu Beginn darauf verwiesen, dass in der Frage der gegenseitigen Einladung zum Abendmahl aufgrund des aktuellen Diskussionsstands nicht mehr die Zulassung begründungsbedürftig sei, sondern die Verweigerung. Die Ablehnung, die die Glaubenskongregation des Vatikans im vergangenen Herbst zu der Schrift „Gemeinsam am Tisch des Herrn“ formulierte, wurde in der Runde jedenfalls nicht als plausibel akzeptiert. Die katholische Theologie-Professorin Johanna Rahner, ebenfalls ÖAK-Mitglied, sprach von „Rezeptionsdefiziten“ und Positionen, die hinter dem Stand der ökumenischen Dialoge zurückblieben.

Abendmahlsstreit verstärkt den Vertrauensverlust in das christliche Reden

Präses Latzel machte sein persönliches Votum neben der Hoffnung auf mehr Bereitschaft zur Grenzüberschreitung an vier weiteren Punkten fest:
– der Erfahrung, in seiner konfessionsverschiedenen Familie nie mit dem katholischen Vater oder der katholischen Großmutter Abendmahl gefeiert zu haben;
– der auf die Ewigkeit gerichteten Frage, ob er mit seinem Handeln Hilfe oder Hindernis gewesen sei für Jesu Einladung an alle Menschen;
– der großen Lücke, die in der Außenwirkung entstehe, weil der Streit in der Abendmahlsfrage das christliche Reden von der Feindesliebe und der Annahme des Anderen konterkariere und den Vertrauensverlust verstärke;
– schließlich der Frage, wer eigentlich der Einladende sei: Christus oder die Kirche? Nach seinem Eindruck gehe es in der Diskussion an vielen Stellen allein um kirchliche Machtfragen.

Keine generelle Einladung, aber Gewissensentscheidung in Ausnahmefällen

Die besondere Wirkung des ÖAK-Papiers in Deutschland erklärte der Trierer Bischof Dr. Stephan Ackermann mit der „einmaligen konfessionellen Realität“, dass Katholiken und Protestanten im Land der Reformation etwa gleichstark vertreten seien. Zugleich beschreibe „Gemeinsam am Tisch des Herrn“ nicht nur Verbindendes und Trennendes, sondern formuliere auch die Konsequenz aus der Analyse. „Damit sind die Kirchenleitungen herausgefordert.“ Für Ackermann erwächst aus der besonderen Situation in Deutschland die Verantwortung, „den ökumenischen Dialog voranzubringen“. Der Bischof sieht dabei die gegenseitige Einladung zu Abendmahl und Eucharistie als Chance der „Stärkung auf dem Weg zur Einheit der Kirche“. Das entspreche auch der Haltung von Papst Franziskus. Eine generelle Einladung könne es von katholischer Seite anders als aus evangelischer Sicht zwar nicht geben. Aber wo Menschen in Ausnahmesituation die Gewissensentscheidung treffen würden, müsse das möglich sein, „ohne ein schlechtes Gewissen zu haben“.

Digitale Formen des Abendmahls sorgen für neue Diskussionen

„Welcher der Jünger hatte schon die gleiche Auffassung vom Abendmahl wie Jesus?“, warb Präses Latzel für mehr Bereitschaft zu kritischer Diskussion. Aktuelles Beispiel: digitale Formen des Abendmahls, die während der Pandemie Konjunktur erleben. Bei Katholiken führe die Vorstellung „zum Sträuben der Nackenhaare“, warf Bischof Ackermann ein. Für Latzel haben sich dagegen „neue Dimensionen des Feierns eröffnet“. Klar ist aber auch: Fortschritte und Annäherung wird es ohne ökumenische Sensibilität nicht geben.

Besonderes ökumenisches Zeichen im Rahmen des Kirchentags

Eine neuerliche Bewährungsprobe für die eucharistische Gastfreundschaft und ökumenische Sensibilität steht für Samstagabend auf dem Programm des Ökumenischen Kirchentags: Als besonderes ökumenisches Zeichen sollen dann Christen gleich welcher Konfession gegenseitig an Abendmahlfeiern teilnehmen können.

Gesprächsrunde: Gemeinsam am Tisch des Herrn

  • 14.5.2021
  • Ekkehard Rüger
  • Screenshot Livestream