Vikarin Dr. Stefanie Bluth: Von den Vereinten Nationen nach Dorp

„Ich will für etwas stehen“

Von der UNO in die Dorper Kirche: Vikarin Dr. Stefanie Bluth

Stefanie Bluth hatte gerade ihren 33. Geburtstag gefeiert. Morgens spazierte sie zufrieden zu ihrem Traumjob bei der UNO in Genf. Über Jahre hatte sie auf diese Stelle hingearbeitet, Netzwerke gespannt, Nächte durchgearbeitet. „Und dann setzte sich diese Frage fest: Macht dieser Lebensstil für meinen weiteren Lebensweg noch Sinn?“, erzählt sie. Ein Jahr lang kehrte diese Frage beharrlich immer wieder zu ihr zurück. „Ich habe eine Geschichte, die mich zu dem gemacht hat, was ich bin“, sagt sie heute, „und das soll sich in meiner Arbeit und in meinem Leben wiederfinden. Ich möchte für etwas stehen.“ Also kündigte sie bei der UNO und schrieb sich an der Kirchlichen Hochschule für Evangelische Theologie ein.

Von Wuppertal über Genf nach Wuppertal

Diese Lebensgeschichte, von der Stefanie Bluth spricht, begann in einer frommen, freikirchlichen Familie in Wuppertal. „Früher war das ein kleiner Hauskreis, heute ist es die Credo-Kirche“, erzählt sie. Dort wuchs sie auf, dort wurde ihr Glaube geprägt und dort entstand auch der Wunsch, das gesellschaftliche Leben in der Gemeinde mitzugestalten. „Aber Frauen durften bei den Pfingstlern damals noch nicht Pastorin werden“, erzählt sie. Also schrieb sie sich für Sozialwissenschaften an der Bergischen Universität ein, beschäftigte sich mit Gender-Studies, lernte ihre eigene Kirche besser zu verstehen und legte im Hauptstudium ihren Schwerpunkt schließlich auf Politik und Verwaltung. Ihr Antrieb sei auch damals gewesen, Gesellschaft zu gestalten. „Dieser Wunsch ist mein roter Faden“, sagt sie. Vor Augen hatte sie auf ihrem langen, erfolgreichen Weg über fast alle politischen Ebenen hinweg immer die Stelle bei der UNO. „Und als ich sie hatte, begann eine richtig, richtig gute Zeit“, sagt sie. Bis zu jenem Jahr, in dem sie feststellte: „Ich will noch mal nach Gott fragen. Ich will mich noch mal den tiefen Themen widmen und die Perspektive wechseln.“ Was sich erst wie eine Krise anfühlte, entpuppte sich als Auslöser für jene Entscheidung, die sie schließlich zur Kirchlichen Hochschule in Wuppertal brachte – um Antworten zu finden. „Wohin dieser Weg führen würde, wusste ich damals noch nicht genau“, sagt sie. Stefanie Bluth trat in die SPD ein, gestaltete weiter, nahm den Job im Landtag an – und studierte. „Eine Bibelschule kam für mich damals nicht in Frage“, sagt sie, „ich kam aus dem wissenschaftlichen Kontext und wollte auf einem hohen, wissenschaftlichen Niveau studieren.“ Der historisch-kritische Umgang mit der Bibel habe ihr damals bereits mehr entsprochen, als die Art, die sie in der Freikirche kennengelernt hatte. „Und auch in vielen Fragen des Lebens bin ich heute viel mehr Landeskirche“, sagt sie. Und dann erzählt sie von der großen Liebe Gottes, die gerade auch dort zu finden sei, wo Menschen zerbrochen sind. Sie spricht von der großen Befreiung durch Jesus Christus, die keinen Menschen ausgrenze.

Kirche und Politik

Am Ende war es wieder der Wunsch, das gesellschaftliche Leben mit zu gestalten, der sie antrieb: Sie bewarb sich für die Liste der Landeskirche, auf der Kandidaten für das Pfarramt stehen. „Ich möchte in die Gesellschaft hineinwirken“, sagt sie, „und ich möchte Verantwortung übernehmen.“ Das erste Examen liegt inzwischen hinter ihr. Sie habe viel gelernt, aufgesaugt, geschuftet, manchmal auch gelitten. Seit dem 1. April engagiert sie sich als Vikarin in der Evangelischen Kirchengemeinde Dorp – acht Stunden in der Woche arbeitet sie weiter im Landtag, abends fährt sie nachhause zu ihrem Sohn. Bei der SPD an ihrem Wohnort Remscheid hat sie inzwischen Karriere gemacht, wurde gerade wieder in den Stadtrat gewählt. Politik und Kirche, das widerspreche sich nicht, ist sie sicher. Um das zu klären, habe sie das Gespräch gesucht – mit der Landeskirche, der Superintendentin, den Kollegen – und geprüft, ob es passt. „Und es passt“, sagt sie, „in unserer Kirche haben unterschiedliche Lebensentwürfe ihren Raum. Und wir wenden uns auch den Armen und Schwachen zu.“ Das treibe sie auch politisch an.

Erfahrungen sammeln in der Gemeinde

Vor allem aber sammelt Stefanie Bluth nun Erfahrung in der Gemeinde – auf der Kanzel, mit den Menschen und Kollegen. Sie hat erste Gottesdienste gehalten, in der Corona-Krise Kuchen zu den Senioren gebracht. „Das hat meinen Glückspegel von Haustür zu Haustür hochschnellen lassen“, sagt sie lachend. Endlich beschäftige sie sich mit wirklich relevanten Themen, ergänzt Stefanie Bluth – mit Liebe und Tod, mit Geburt, Glück und Schuld. Das habe ihr bisher gefehlt. Wie es nach dem zweiten Examen weitergeht, das weiß sie noch nicht. Irgendwann wolle sie ordiniert werden, aber ob sie dann als Gemeindepfarrerin antrete, wolle sie sich offen halten. Denn eines hat sie gelernt in all den Jahren: „Das Leben ist nicht festgeschrieben“.

INFO

Für Menschen, die quereinsteigen möchten, bietet die Evangelische Kirche im Rheinland ab dem nächsten Jahr einen berufsbegleitenden Studiengang „Master of Theological Studies“ an – als zweiten Weg ins Pfarramt für alle Landeskirchen. Damit möchte die Landeskirche auch Menschen für das Pfarramt interessieren, die schon in einem anderen Beruf Erfahrungen gesammelt haben.

Für junge Menschen, die sich für ein Theologiestudium interessieren, bietet die Evangelische Kirche im Rheinland eine Orientierungstagung an. Vom 27. bis 29. November sind Interessierte in das Tagungshaus auf dem Heiligen Berg in Wuppertal eingeladen – dann werden Gespräche mit Vertreterinnen und Vertretern von Pfarr- und Lehrberuf sowie Studierenden angeboten. Es gibt umfassende Informationen zum Studium.

  • 24.9.2020
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