Er war da, wenn die Menschen Hilfe brauchten

Notfallseelsorger und Einsatznachbereiter Bernhard Ludwig geht in den Ruhestand

[Kirchenkreis Moers] Zu jeder Tages- und Nachtzeit konnte Bernhard Ludwigs Messenger piepsen. Dann wusste er, dass Menschen schwerst verletzt waren, Kinder gestorben, Angehörige dringend Beistand benötigten, Feuerwehrleute, Sanitäter und Polizisten mit unermesslichem Leid und fürchterlichsten Bildern bei Unfällen konfrontiert waren. Denn die Messenger-Adresse des leitenden Notfallseelsorgers im Kreis Wesel kannten ausschließlich die Rettungskräfte. „Sie wissen, wann die Unterstützung eines Seelsorgers nötig ist, darauf konnte ich mich verlassen. Jede Meldung bedeutete Leid“, sagt Ludwig über die vertrauensvolle und jahrzehntelange enge Zusammenarbeit. In wie vielen Einsätzen er selbst den Menschen beigestanden hat, kann er nicht mehr rekonstruieren. Aber gemeinsam mit anderen haupt- und ehrenamtlichen Notfallseelsorgenden am Niederrhein sind es meist zwischen 200 und 300 pro Jahr einschließlich der Maßnahmen der Einsatznachsorge.
Nun geht der leitende Notfallseelsorger im Kreis Wesel und Einsatznachsorger, Pfarrer Bernhard Ludwig, in den Ruhestand. Der Kreis Wesel verabschiedete ihn am 30. Juni mit einem feierlichen Akt. Mit einem Gottesdienst am 24. Juli wird der 63-Jährige um 18 Uhr in der Ev. Stadtkirche Moers schließlich aus seinem Dienst entpflichtet.

Vom Theologiestudium bis zum Aufbau der Einsatznachsorge

Bernhard Ludwig ist in Bonn geboren und in Franken aufgewachsen. Sein Berufswunsch, Pfarrer zu werden, entstand aus der kirchlichen Jugendarbeit sowie der Tradition der Familie. Theologie studierte er in Wuppertal, Göttingen und Münster. Als Nebenfach belegte er Psychologie. 1989 übernahm er seine erste Pfarrstelle. Anschließend arbeitete er bei der Landeskirche in Düsseldorf, war in der Ev. Kirchengemeinde Schwafheim tätig und leistete beim Christlichen Jugenddorf Niederrhein religionspädagogische Arbeit. Im Kirchenkreis Moers wirkte er im Bereich der Jugendarbeit mit und organisierte im Jahr 2006 maßgeblich das rheinlandweite Jugendcamp in Moers. Anschließend war er in der Notfallseelsorge tätig, anfangs im Kirchenkreis Moers als Koordinator der ehrenamtlichen Einsätze der Pfarrerinnen und Pfarrer und seiner eigenen. Im Jahr 2011 wurde er auf die neu geschaffene Stelle des hauptamtlichen Notfallseelsorgers berufen und vernetzte als leitender Notfallseelsorger für den gesamten Kreis Wesel die Einsätze der Notfallseelsorgenden. Mit dem Aufbau eines Einsatznachsorgeteams im Kreis Wesel wurde die Grundlage für eine professionelle psycho-soziale Unterstützung für Einsatzkräfte der Feuerwehr, der Rettungsdienste und der Polizei neu geschaffen, um belastende Einsätze besser zu verarbeiten.

Konzeption Ausbildung Ehrenamtlicher Notfallseelsorgender

Da der Bedarf an Notfallseelsorgenden stieg und gleichzeitig wegen rückgehender Kirchensteuereinnahmen die Zahl der Pfarrerinnen und Pfarrer sank, die diesen Dienst ehrenamtlich versehen konnten, konzipierte er für die Ev. Kirche im Rheinland eine umfangreiche Ausbildung zur ehrenamtlichen Notfallseelsorge. „Wir Pfarrerinnen und Pfarrer konnten das nicht mehr allein schaffen. Wir haben in den vergangenen zehn Jahren etwa 100 ehrenamtliche Notfallseelsorgende ausgebildet, die den Stamm des aktuellen Notfallseelsorgeteams im Kreis Wesel bilden“, erklärt Ludwig. Die Ausbildungen sind ein Baustein der Notfallseelsorge. Sie umfassten über ein Jahr hinweg hunderte Stunden Vor- und Nachbereitung mit Theorie- und Praxisanteilen und wurden ständig nach dem neusten Standard der Wissenschaft aktualisiert. „Oftmals ging auch während der Kurse der Alarmpiepser – praxisnäher geht keine Ausbildung. Unsere Teilnehmenden sollten unbedingt gut vorbereitet in ihre schwierige Aufgabe gehen, ohne selbst Schaden an der Seele zu nehmen.“

Viele Einsätze bleiben in Erinnerung

Viele Einsätze bleiben in Erinnerung: „Wenn ich durch den Niederrhein fahre, gibt es immer wieder Erinnerungspunkte, die an Unfälle, häusliche Todesfälle, plötzliche Kindstode erinnern. Das bleibt Teil meiner Geschichte.“ Eigene seelische Narben sind das nicht, aber nachhaltige gravierende Erlebnisse. „Natürlich bedeutete der Einsatz auf der Loveparade in Duisburg, die jahrelange Nachsorge mit Angehörigen und psychisch Traumatisierten sowie die Begleitung vieler direkt und indirekt Betroffener während der 110 Prozesstage, eine schwerwiegende Erfahrung. Eine Kraftquelle, mich diesen Geschehnissen und Szenen, die niemand ein zweites Mal sehen möchte, noch einmal auszusetzen, war die Dankbarkeit der Einsatzkräfte, in den Nachsorgegesprächen das alles endlich einmal jemanden erzählen zu dürfen.“

 Vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Polizei, Rettungsdienst und Feuerwehr

Die gute, vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Polizei, Rettungsdienst und Feuerwehr bleibt ihm in Erinnerung: „Das war eine wichtige Erfahrung. Man kennt sich, man schätzt sich, man hilft sich gegenseitig, um den verletzten Menschen das Maximale an Unterstützung in akuten Notfällen zukommen zu lassen. Dafür meinen tiefen Dank,“ so der scheidende Notfallseelsorger.
Nun ist diese offizielle Zeit beendet. „Doch Seelsorge ist eine lebenslange Berufung“, sagt er. Seine kirchliche Entpflichtung aus dem Dienst sieht er dennoch auch als ein Stück Befreiung, zum Beispiel vom permanenten Bereitschaftsdienst. Er freut sich darauf, die 20 Ausbildungsordner nun zu einem Handbuch zusammenzufassen, mehr Zeit für sich und die Familie zu haben, und der Einsatznachsorge im Kreis Wesel noch ab und zu sein Ohr zu leihen. Als Feuerwehr- und Polizeiseelsorger sowie mittlerweile Feuerwehrmann bleibt er ehrenamtlich weiterhin im Dienst. Bis die Nachfolge geregelt ist, koordiniert Kerstin Pekur-Vogt die Notfallseelsorge und beteiligt sich auch an Einsätzen. Ausgebildet hat die ehrenamtlichen Notfallseelsorgerin aus Neukirchen-Vluyn: Bernhard Ludwig.

Weitere Informationen:

Die Notfallseelsorge wird ausschließlich von Einsatzkräften der Feuerwehr, Rettungskräften oder Polizei alarmiert.
Wer an dem Gottesdienst teilnehmen möchte, muss sich wegen der Pandemie anmelden unter 02841 100125 und die dann geltenden Hygienevorschriften beachten. Wegen des zu erwartenden Andrangs und der begrenzten Platzzahl ist eine frühzeitige Anmeldung zu empfehlen.

  • 21.7.2021
  • Pressereferat Kirchenkreis Moers
  • Red