Tatort Gottesdienst – Mord und Totschlag aus der Bibel in der Sommerkirche im Duisburger Norden

„Darf ich, darf ich?“ bettelte die Obermeidericher Pfarrerin Sarah Süselbeck vor einigen Jahren, als sie in der Ruhrorter Traditionskneipe Zum Anker die Schimanski-Jacke in die Hand bekam. Und der damalige Ankerwirt hatte ein Einsehen und ließ sie kurz reinschlüpfen. „Das war sogar die Jacke mit dem Einschussloch an der Schulter, die ist heute im Stadtmuseum,“ erinnert sich Schimanski-Enthusiastin Süselbeck an diesen glücklichen Moment. So kam sie zu einem Beweisfoto in Schimmi´s Jacke und auf die Idee für die diesjährige gemeinsame Sommerkirche der Evangelischen Gemeinden Meiderich und Obermeiderich. Der Vorschlag zum „Tatort Bibel“ zündete bei den Kolleginnen und Kollegen im Pfarrteam, schließlich hat das Buch der Bücher erstaunlich viele Geschichten über Mord und Totschlag zu bieten. Die Ideen für die vier Sonntage im Juli sprudelten nur so. „Und dann machen wir Zeugenvernehmungen,“ „Als Intro gibt es die Tatortmelodie auf dem Klavier“, „Beweisfotos“, „Expertengutachten“. „Das hat in der Vorbereitung großen Spaß gemacht,“ sagt die Pfarrerin, „aber natürlich kann man nicht alles verwenden, was einem so Schräges einfällt, es soll ja ein Gottesdienst bleiben und darf nicht in Klamauk abgleiten.“ Die Balance zwischen Spaß und ernsthafter Aussage hat am Ende gestimmt. Den Gottesdienstbesuchern gefiel es ausnehmend gut: „Sehr schön. Das war doch mal was anderes“, hörte man am Ausgang von Vielen.

Schockiert über den freien Umgang mit den Geschichten zeigte sich niemand. Schließlich stehen die pikanten Tatsachen alle in der Bibel. Da schickt König David, den Ehemann seiner Angebeteten auf ein Himmelfahrtskommando, ein perfekter Mord? Es gibt einen schlimmen Raubüberfall mit unterlassener Hilfeleistung nahe Jericho und Erzvater Jakob betätigt sich recht erfolgreich als professioneller Erbschleicher. Gar nicht zu reden vom Säuglings-Massaker in Betlehem, ein wirklich unerhörtes Verbrechen. Das Ermittlerteam aus Dirk Strerath, Esther Immer, André Welters, Monika Gebhardt, Yao Moto und Sarah Süselbeck tauchte tief ein, in die Ermittlungen. Und es erwies sich am Ende, dass nicht alles immer so ist, wie es scheint. Vom Vorwurf des Massenmordes an den Neugeborenen in Betlehem ist König Herodes jedenfalls freizusprechen, stellte die Ermittlerin nach dem schriftlichen Expertengutachten eines Theologieprofessors fest, es gibt keinen einzigen historischen Beweis für diese grausame Tat. Aber die Zeugenaussagen eines braven Soldaten und einer Bediensteten aus dem Palast legen nahe, dass ihr Dienstherr durchaus ein skrupelloser Machtmensch war. Davon gibt es auch heute noch genug. „Das ist doch Scheiße“, musste die Pfarrerin bei dieser Feststellung einfach ihr Ermittlervorbild zitieren. „Aber da soll sich keiner in Sicherheit wiegen, der sich auf Erden aus allem rauswinden konnte. Das Urteil über machtgierige Menschen, die ihren Einfluss missbrauchen und anderen schaden, spricht in letzter Instanz der Chef persönlich“, erinnerte Süselbeck ihre Gemeinde und schloss einstweilen die Akte Herodes.

„Zum Glück war mein dreijähriger Sohn heute nicht mit dabei“, lachte sie nach dem Gottesdienst erleichtert, „der ist nämlich sehr streng, wenn ich Scheiße sage, der sagt sofort: Mama, das heißt doch Schei-benkleister! Aber manchmal tut es nur das Originalzitat.“

Text: Sabine Merkelt-Rahm; das Foto wurde am Sonntag, 24. Juli 2022 nach dem letzten Gottesdienst der diesjährigen Reihe „Sommerkirche“ aufgenommen (Foto: Bartos Galus). Es zeigt Pfarrerin Sarah Süselbeck als Ermittlerin und Presbyter Manuel Gensing als römischen Soldaten und Zeugen. 

Infos zu den beiden Gemeinden gibt es im Netz unter www.kirche-meiderich.de bzw. www.obermeiderich.de.

 

 

 

 

  • 25.7.2022
  • Sabine Merkelt-Rahm
  • Bartosz Galus