Hilferuf aus Marokko: Projekt für junge Flüchtlinge benötigt dringend Geld

Jeden Monat stehen bis zu 100 junge, unbegleitete Flüchtlinge vor den Türen des Zentrums „Vivre l’Espoir“ in Marokko – auf der Suche nach Hilfe. Ursprünglich war geplant, etwa 15 jungen Menschen im Jahr zu helfen. Durch den Ansturm wächst auch der finanzielle Druck. Das Personal kann nicht mehr bezahlt werden und auch die täglichen Mahlzeiten mussten bereits reduziert werden. Der Kirchenkreis Jülich, der das Projekt seit den Anfängen begleitet, bittet nun dringend um finanzielle Unterstützung.

Oft sind sie erschöpft von der Reise durch die Wüste. Sie haben Durst und Hunger gelitten, wenn sie Oujda erreichen. Und hier warten die Menschenhändler und Zuhälter. Auf ihrer Flucht gelangen die jungen, unbegleiteten Flüchtlinge aus den Ländern des afrikanischen Kontinents früher oder später nach Marokko. „Und viele von ihnen stehen dann vor den Türen unseres Zentrums“, erzählt Hans-Joachim Schwabe aus dem Kirchenkreis Jülich. Seit das Zentrum „Vivre l’Espoir“ (Es lebe die Hoffnung ) 2017 den Einsatz für junge Menschen auf der Flucht aufnahm – um ihnen eine Verschnaufpause zu gönnen, mit ihnen Perspektiven zu erarbeiten, Sprachkurse anzubieten und Berufsausbildungen zu vermitteln – begleitet der Kirchenkreis Jülich die Arbeit mit Spendengeldern und persönlichem Engagement.

Zahl der jungen Flüchtlinge ist deutlich gestiegen

Nun ruft er um Hilfe. Denn die Zahl der jungen Flüchtlinge, die im Zentrum in Oujda ankommen, ist deutlich gestiegen. „Das hat auf der einen Seite damit zu tun, dass sich das Zentrum bei den Geflüchteten einen Namen gemacht hat“, sagt Hans-Joachim Schwabe. Dazu kommt die Corona-Pandemie, die auch unter Flüchtlingen für große Not gesorgt hat: Wegen der Ausgangssperren hatten sie kaum noch Möglichkeiten, Geld zu verdienen. Viele hätten deswegen ihre Wohnung verloren und seien im Zentrum gestrandet, sagt Schwabe. Und jede neue Unruhe, jeder politische Zwist, jede Hungersnot in den afrikanischen Ländern wird an der Grenze zwischen Algerien und Marokko spürbar. Anfangs hätten vor allem Flüchtlinge aus Guinea den Weg Richtung Europa gesucht, inzwischen hätten viele junge Männer aus dem Sudan und der Republik Tschad die Grenzstadt in Marokko erreicht. Viele von ihnen kommen schwer verletzt an und brauchen als erstes medizinische Unterstützung.

Zu Corona-Zeiten ist alles knapp. Die Lebensmittelausgabe im Zentrum hilft den jungen Menschen.

Inzwischen 100 Neuankömmlinge im Monat

Bei seiner Gründung gingen die Verantwortlichen davon aus, etwa 15 Jugendlichen im Jahr dabei helfen zu können, eine berufliche Perspektive zu finden. Inzwischen kommen jeden Monat rund 100 Neuankömmlinge. Manche von ihnen bleiben nur zum Duschen und zum Zähneputzen oder für medizinische Versorgung, um dann weiterzureisen. In den vergangenen Monaten führte ihr Weg sie häufig weiter in die spanische Exklave Ceuta, von wo aus sie den lebensgefährlichen Weg über Wasser und Watt auf das europäische Festland suchten. Wenige treten nach der Atempause im Zentrum die Heimreise an. Andere beschließen, die Kurse und Angebot des Zentrums anzunehmen, eine Berufsausbildung zu machen und Perspektiven auf dem heimischen Kontinent zu suchen.

Der finanzielle und personelle Druck wächst

Mit der zunehmenden Zahl von Geflüchteten steigt in dem ökumenischen Zentrum auf dem Gelände der katholischen Kirche St. Louis auch der finanzielle und personelle Druck. „Wir haben bereits die täglichen Mahlzeiten von drei auf zwei reduziert und das Duschen begrenzt“, erzählt Schwabe. Als das Geld knapp wurde und das Personal im Zentrum nicht mehr bezahlt werden konnte, arbeitete das Team ehrenamtlich weiter. „Dazu kommt, dass wir in Deutschland weniger Spendenzusagen bekommen“, berichtet Schwabe. Rund 325.000 Euro kostet die Arbeit im Zentrum „Vivre l’Espoir“ jährlich – für das nächste Jahr fehlen noch 93.000 Euro. Die Dankbarkeit für die langjährige Unterstützung aus Deutschland sei groß, sagt Schwabe. Viele große Partner unterstützen die Arbeit in Marokko. Um ab September weitermachen zu können, würden aber weiter dringend Spenden gebraucht.

„Wir machen uns Sorgen“

Dem Hilferuf schließt sich auch der Verein „Aachener Friedenspreis“ an. 2015 erhielt Azarias Zacarias Lumbela, Leiter des Zentrums, die Auszeichnung. Fünf Jähre später wurde das Zentrum selbst mit dem Friedenspreis bedacht. „Wir machen uns Sorgen um unsere Preisträger“, erklärt Friedenspreis-Pressesprecherin Lea Heuser. Sorgen macht sich auch Hans-Joachim Schwabe. Deswegen wird er nicht müde, an den Türen von Hilfswerken und Initiativen anzuklopfen, in Gemeinden für Unterstützung zu werben und immer mal wieder auch sein eigenes Geld nach Marokko zu schicken – zumal eigentlich auch dringend die Gründung eines sicheren Ortes für junge Frauen auf der Flucht nötig sei. Inzwischen hat sich der Unterstützerkreis aus Jülich zur Gründung des Vereins „Flüchtlingshilfe Marokko“ entschieden, um Spendengelder leichter beantragen zu können. „Wir machen weiter“, sagt Schwabe, „weil das unsere Verantwortung ist.“

  • 17.6.2021
  • Theresa Demski
  • Vivre l'Espoir