„Alte und neue Lieder suchen, die den Menschen wirklich Hoffnung geben“

Präses Dr. Thorsten Latzel zur Zukunft von Kirche und Kirchenmusik

Düsseldorf. Kirchenmusik soll sich stärker an den Musikinteressen der Mitglieder orientieren. Dafür macht sich Präses Dr. Thorsten Latzel stark: „Nicht wir schreiben den Menschen vor, wie sie singen sollen. Sondern wir lernen mit und von ihnen, was ihre Seele zum Klingen bringt, wie wir gemeinsam singen können. Welche Musikrichtung sie lieben und mitsingen“, sagte der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland am Samstagvormittag bei einem Treffen von Kirchenmusikerinnen und -musikern.

„Für die Zukunft der Kirche wird es wichtig sein, dass wir uns neu an allen unseren Mitgliedern als getauften Gliedern am Leibe Christi orientieren. Und sie fragen, was sie für ihren Glauben und ihr Leben brauchen. Dafür spielt Musik eine zentrale Rolle“, erklärte Präses Latzel vor rund 170 Kirchenmusikerinnen und -musikern, die hauptberuflich in den Gemeinden der rheinischen Kirche arbeiten. Das Treffen des Generalkonvents fand als Videositzung statt. Die Teilnehmenden berieten über Zukunftsfragen der Kirchenmusik.

Kirchenmusikalische Kreativität in der Corona-Pandemie

Bei allen Schwierigkeiten, die die Corona-Pandemie mit sich gebracht habe, habe es in dieser Zeit zugleich eine hohe kirchenmusikalische Kreativität gegeben. „Es gab neue Formen der digitalen Vermittlung, etwa bei dem Video ,Singt mit‘ zu Kantate 2021 oder dem Online-Musikprojekt ,Begeistert‘ vor einem Jahr. Es gab Balkon-Singen, Straßen-Konzerte vor Heimen“; so Thorsten Latzel in seinem Vortrag unter der Überschrift „Der Hoffnung gemeinsam Stimme geben – Perspektiven der Kirche und die Rolle der Kirchenmusik“. „Wenn wir jetzt wieder unter bestimmten Bedingungen gemeinsam singen dürfen, ist dies ein hörbares Zeichen des Aufbruchs, der Hoffnung. Auch über Corona hinaus. Unsere Aufgabe als Kirche insgesamt ist es, Hoffnung gemeinsam eine Stimme zu geben, Sorgen, Angst, Tod, Zweifeln nicht das letzte Wort zu lassen.“ Kirchenmusik auf digitalen Kanälen brauche es nicht nur als Ersatz, sondern als festverbundene Säule der Arbeit. „Die Zukunft wird auch bei Chören und Instrumentalmusik in der Kirche hybrid sein“, prophezeite Präses Latzel.

Von anderen lernen

Es gebe weniges, was unsere Gesellschaft nach der Pandemie und in ihren vielfältigen Veränderungen so sehr brauche wie Hoffnung, unterstrich der 50-jährige Theologe. Das sei zugleich die Kernaufgabe von Kirche: Rechenschaft zu geben von der Hoffnung, die in uns ist, zitierte der Präses einen Vers aus der Bibel. „Konkret heißt das, nach alten und neuen Liedern zu suchen, die Menschen heute wirklich Hoffnung geben, und sie anzustimmen.“ Kirche werde zukünftig noch viel stärker mit anderen Partnern vernetzt agieren und von ihnen lernen: in ökumenischen Partnerschaften, im Sozialraum oder in der Quartiersarbeit mit anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren. Mit Menschen, die das Evangelische Gesangbuch nicht kennen. „Hier brauchen wir eine Kirchenmusik, die Brücken bauen kann. Eine Kirchenmusik mit dem Mut und der Kompetenz zum Cross-over, zur gelungenen kreativen Verbindung der eigenen musikalischen Tradition mit den Liedern, Melodien, Rhythmen der anderen“, sagte Thorsten Latzel: „Solche kirchenmusikalischen Lernfelder sind die Gemeinden anderer Sprache und Herkunft, Treffpunkte in der diakonischen Quartiersarbeit, Schulhöfe, Krankenhäuser, Büros. Der Mitmach- und Mutmach-Song ,Jerusalemah‘ aus dem vergangenen Jahr war dafür ein starkes Beispiel.“

  • 19.6.2021
  • Jens Peter Iven