Interreligiöser Diskurs beim Radeln

Sie eint der Wunsch, die Schöpfung zu bewahren: In Krefeld nehmen evangelische und katholische Christen genauso wie die muslimische Gemeinde gemeinsam am Stadtradeln teil. Dabei sind längst Freundschaften entstanden.

Wenn sie im Sattel sitzen, dann kommen sie ins Gespräch. Über Gott und die Welt. Evangelische und katholische Christinnen und Christen sowie Muslime aus Krefeld plaudern über den Alltag, ihre Familien und das Radfahren. Und sie kommen auf Themen zu sprechen, die sie bisher eher selten miteinander erörtert haben. Was sagt eigentlich der Islam über die Bewahrung der Schöpfung? An welchen Schöpfungsbericht glauben die Christen? Und welche Orte in der Stadt sind den einen oder den anderen wichtig? „Wir sind  gemeinsam in Bewegung“, sagt Klaus Armonies, Synodalbeauftragter für Umwelt und Energiefragen des Evangelischen Kirchenkreis Krefeld-Viersen, Und das habe Auswirkungen – auf das Gespräch, auf das Miteinander, auf die Beziehungen.

Rund 20 Kilometer mit dem Fahrrad durch die Region

Einmal im Jahr machen sich Protestanten, Katholiken und Muslime in Krefeld gemeinsam auf den Weg – pünktlich zum Stadtradeln, einem Wettbewerb für Klimaschutz und Fahrradförderung. Klaus Armonies, der katholische Seelsorger Ulrich Hagens und Talha Isik von der Union der  türkischen und islamischen Vereine in Krefeld und Umgebung arbeiten Jahr um Jahr eine Fahrradtour aus, die es in sich hat: Rund 20 Kilometer geht es für die immer größer werdende Gruppe durch die Region, mit drei bis vier Anlaufpunkten, die dazu einladen, genau hinzusehen.

Jede Religion ist mit einem Ort vertreten

„Das können christliche Predigtstätten sein, besondere historische Orte, eine Moschee oder Plätze unter freiem Himmel, die zum interreligiösen Dialog einladen“, sagt Armonies. „Jede Religion ist mit mindestens einem Ort vertreten“. Nach einem kurzen Stopp, bei dem es Informationen und Erläuterungen zu dem Haltepunkt gibt, geht es weiter. „Ganz gemütlich“, erklärt Armonies, jeder komme gut mit und mit jemand anderem ins Gespräch. Und gleichzeitig sammelten die Teilnehmenden  noch Kilometer um Kilometer für die Aktion „Stadtradeln“.

Viel voneinander gelernt

Es seien besondere Momente, die auf diesen Fahrradtouren entstehen, erzählt Armonies. Dann sitzen junge muslimische Menschen in einer christlichen Kirche. Christinnen und Christen betreten zum ersten Mal eine Moschee. Und beim gemeinsamen Abschluss nach der Fahrradtour lassen sich die Teilnehmenden Köstlichkeiten aus aller Welt schmecken und nehmen Einladungen für hohe Feste und persönliche Begegnungen in den Gemeinden entgegen. „Wir haben schon große Gastfreundschaft erlebt, viel voneinander gelernt und wertvolle Kontakte geschlossen“, sagt Armonies.

Täglich 40 Kilometer mit Rad zur Arbeit

Ursprünglich hatte der Kirchenkreis Krefeld-Viersen nur seine evangelischen Gemeindeglieder zum Kilometersammeln beim Stadtradeln eingeladen. Klaus Armonies und Ehefrau Evelin hatten schon früh die bundesweite Initiative für den Klimaschutz kennengelernt und unterstützt, die Schulen in Krefeld für die Aktion begeistert und dafür schließlich auch eine Auszeichnung von ADFC und Stadt erhalten. „Ich bin früher mit dem Rad zur Arbeit gefahren“, erzählt der Synodalbeauftragte für Umwelt und Energiefragen des Evangelischen Kirchenkreis Krefeld-Viersen, „40 Kilometer jeden Tag.“

„Wir haben viele Menschen auf die Räder bekommen“

Um auch Menschen im Kirchenkreis für die klimaneutrale Art der Fortbewegung zu begeistern, hatte er kurzerhand die Gruppe  „Bewahrung der Schöpfung“ online beim Stadtradeln angemeldet. Irgendwann fand er: Diese Initiative könne man auch auf breiteren Schultern tragen. Also sprach er den katholischen Seelsorger Ulrich Hagens an, der wiederum Talha Isik mit ins Boot holte. „Wir haben seitdem viele Menschen auf die Räder bekommen“, sagt Armonies fröhlich. Häufig sammelte die Gruppe in den vergangenen Jahren gemeinsam so viele Kilometer, dass sie am Ende des Stadtradelns als beste Gemeindegruppe ausgezeichnet wurde. Aber selbst dann, wenn es mal nicht für die Auszeichnung reicht, gewinnen die Teilnehmenden, findet Armonies – in ihrem gemeinsamen Einsatz für die Bewahrung der Schöpfung und den interreligiösen Dialog.

 

  • 23.6.2022
  • Theresa Demski
  • Red