Zukunftskongress: Diese Forderung hat die Jugend zur Zukunft der Kirche

Beim ersten Zukunftskongress der Evangelischen Jugend im Rheinland „MH22“ haben am Samstag, 7. Mai, mehr als 250 Teilnehmerinnen und Teilnehmer über die Zukunft der Kirche diskutiert. Die Forderungen der Jugend werden zusammengefasst und an die Kirchenleitung und Vertreterinnen und Vertreter der Politik weitergeleitet. Wir haben uns unter Teilnehmerinnen und Teilnehmern umgehört, welche Forderungen und Wünsche sie haben.

Wie sieht die Kirche der Zukunft aus? In welchen Bereichen gibt es Nachholbedarf und wie könnten neue Formate aussehen, um Menschen an die Kirche zu binden oder neue für sie zu gewinnen? Diese Fragen werden beim Kongress „MH22“ auf dem Kirchenhügel von Mülheim an der Ruhr in Workshops, Podiumsdiskussionen und anderen Veranstaltungen diskutiert.

„Cool zu sehen, wenn die Kirche überhaupt diese Zukunft hat“

Manchmal kann der Blick in die Zukunft auch Angst machen. Die Zahl der Kirchenaustritte etwa verleitet nicht immer zu Optimismus. „Deswegen ist es cool zu sehen, wenn die Kirche überhaupt diese Zukunft hat“, beschreibt der 17-jährige Emil Spietz aus Bad Kreuznach seine persönliche Erkenntnis des Tages.

Der Zukunftskongress der Jugend erinnerte vom Aufbau an ein Festivalgelände.

Kirche ist mehr als Gebet

Anna, 21, eine der fleißigen Helferinnen aus Mülheim, ärgert sich, dass die Kirche immer noch mit Stereotypen zu kämpfen hat. „Es geht nicht nur ums Beten und darum, die christlichen Geschichten zu erzählen“, betont sie. Sie sieht die kirchlichen Einrichtungen eher als „ein Open House, wo jeder hinkommen kann“. Diese Gruppendynamik müsse man in Zukunft stärken und noch deutlicher nach außen tragen.

Präses der EKD-Synode: „Zukunft ist jetzt!“

Was bedeutet eigentlich Zukunft? Für Friederike Epp, Vorstandsmitglied der Evangelischen Jugend im Rheinland, bedeutet Zukunft „ein hohes Maß an Verantwortung“. Präses Dr. Thorsten Latzel ergänzt bei einer Podiumsdiskussion: „Zukunft heißt aber auch: Es kommen noch andere meiner Art, also nimm dich nicht zu wichtig!“ Die Zukunft ist im Gegensatz zur Vergangenheit der Bereich, der sich noch gestalten lässt. „Zukunft ist jetzt!“, bringt es Anna-Nicole Heinrich, Präses der EKD-Synode, im Gespräch mit Epp und Latzel auf den Punkt.

Der rheinische Präses Dr. Thorsten Latzel (2.v.l.) im Gespräch mit Anna-Nicole Heinrich (3.v.l.), Präses der Synode der EKD und Friederike Epp (Vorstandsmitglied der Evangelischen Jugend im Rheinland). Foto: Aaron Clamann

Viele Mitglieder aber wenig Aktive?

Ihrer Meinung nach müsse die evangelische Kirche in ihrer Gesamtorganisation effizienter werden, was sie nicht als reine Wirtschaftlichkeit verstanden wissen will. Es gehe eher um die Vereinfachung von Strukturen. „Die sollte man nicht erst erklären müssen, sondern sollte Ermöglicherin oder Ermöglicher sein“, so Heinrich. „Je partizipativer wir sind“, meint Friederike Epp, „desto mehr Leute erreichen wir – auch über die Kirchen-Bubble hinaus.“ Eine Ansicht, die auch viele der Teilnehmerinnen und Teilnehmer teilen. „Die Kirche muss zurück in die Gesellschaft, schließlich haben wir noch viele Mitglieder aber vergleichsweise wenig Aktive“, meinte Luka Keller, 21, aus Bad Kreuznach.

In Workshops haben Jugendliche ihre Forderungen und Wünsche an die Zukunft erarbeitet.

Strukturen behindern oft die Zukunft

„Wir müssen die große Lobby und das riesige Einzugsgebiet nutzen, um die Leute für unsere Themen zu sensibilisieren“, ergänzte Carolin, 23, aus Lohmar. Auch Tyler Punte aus Wegberg möchte „andere Menschen einbinden, die nichts mit Kirche zu tun haben“. Außerdem stören ihn bisweilen die Grenzen der Gemeinden oder Kirchenkreise. „Wir sind doch eine große Kirche“, so der 16-Jährige.

Blick von außen kann helfen

Zwar verfolge die evangelische Kirche in den Augen David Offermanns keinen missionarischen Ansatz, neue Impulse von außen sehen aber Viele als Gewinn an, so das Vorstandsmitglied der Evangelischen Jugend im Rheinland. „Auch Fachfremde können etwas einbringen, es ist nicht immer nur die liturgische Brille“, meint etwa Jugendseelsorger Christoph Werecki in einer der unterschiedlichen Gesprächsrunden. „Es zählt nur die gute Idee und nicht, von wem sie kommt“, ergänzt Präses Latzel.

Der gesamte Kirchenhügel in Mülheim an der Ruhr wurde für den Zukunftskongress als Festivalgelände genutzt.

„Kirchenrebellen“ berichten von ihren Erfahrungen

Unter Umständen könne es sogar helfen, Haupt- und Ehrenamt bewusst voneinander zu trennen. So berichten Christoph Schlicht und Maximilian Bode von digitalen Gebetsangeboten. Sie sind als „Kirchenrebellen“ in den sozialen Netzwerken bekannt. „Als ich als Pastor dabei war, wurde es viel schlechter angenommen, weil die Hemmschwelle eine größere war“, so Bode. Das Duo ermutigt die Kongressteilnehmerinnen und -teilnehmer dazu, einfach neue Formate auszuprobieren. „Sammelt einfach das, was Ihr könnt. Jeder ist in irgendetwas Profi.“ Und: „Bist du von etwas begeistert, gibt es immer Leute, die du auch damit begeistern kannst.“

„Auf die Schnauze zu fallen gehört dazu, wenn man neue Dinge ausprobiert“

Von ersten Misserfolgen sollten sich junge Ehrenamtliche nicht entmutigen lassen. „Auf die Schnauze zu fallen gehört dazu, wenn man neue Dinge ausprobiert“, findet Schlicht. Was können neue Dinge konkret sein? „Die Kirche der Zukunft engagiert sich auf jeden Fall noch mehr im Klimaschutz“, findet Freddy, 29, aus Lohmar. Auch die soziale Gerechtigkeit müsse ein noch wichtigeres Thema werden.

Kirche muss erklären, was sie tut

Für Caro aus Aachen, die sich in gleich zwei Gesprächsrunden auf das Podium traut, geht es in Zukunft in erster Linie um Offenheit und Ehrlichkeit. „Man muss wissen, wohin geht die Kirchensteuer? Was passiert mit dem Geld?“ EKD-Präses Anna-Nicole Heinrich verspricht als Ziel ihrer Amtszeit, solche Fragen und Impulse einzusammeln. Beim Kongress in Mülheim gibt es davon eine ganze Menge.

  • 9.5.2022
  • Marcel Dronia
  • Yannic Kötter