Die Vereinte Evangelische Mission (VEM) und die Evangelische Kirche im Rheinland begrüßen die Anerkennung der deutschen Kolonialverbrechen an Herero und Nama zu Beginn des 20. Jahrhunderts als Völkermord. Dieser überfällige Schritt stärke Deutschlands Glaubwürdigkeit im Eintreten für Menschenrechte weltweit und wirke damit auch über die bilateralen deutsch-namibischen Beziehungen hinaus, sagte VEM-Vorstandsmitglied Jochen Motte am Freitag, 28. Mai.
Bereits 2004, hundert Jahre nach den Ereignissen, hatte die VEM ebenso wie die Evangelische Kirche im Rheinland auf ihrer damaligen Tagung der Landessynode diesen Schritt von der Bundesregierung gefordert. „Wir freuen uns, dass nun endlich Bereitschaft aufseiten Deutschlands besteht, Verantwortung für die Verbrechen und den Völkermord zu übernehmen und substanzielle Projekte zu fördern, die insbesondere den von Völkermord betroffenen Bevölkerungsgruppen zugutekommen“, sagte Motte.
Rheinische Kirche setzt sich weiterhin für Versöhnungsarbeit ein
„Der Völkermord an Herero und Nama durch deutsche Truppen vor mehr als hundert Jahren ist eine tiefe Wunde in der namibischen Gesellschaft. Bis jetzt war der Genozid von der deutschen Regierung nicht offiziell anerkannt. Das hat die Wunden nicht heilen lassen, wie uns unsere Partner der Evangelisch-Lutherischen Kirche in der Republik von Namibia immer wieder versichert haben. Es ist gut, dass hier endlich Klarheit geschaffen ist“, betont Oberkirchenrätin Barbara Rudolph, hauptamtliches Mitglied der Kirchenleitung und Leiterin der Abteilung Theologie und Ökumene im Landeskirchenamt. Die rheinische Kirche habe sich von Beginn an für die Versöhnung der beiden Völker eingesetzt: 2004 zum Gedächtnis an den 100. Jahrestages des Völkermords begleitete sie Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul nach Namibia, 2012 gedachte die Kirchenleitung bei einer Begegnungsreise des Völkermords am Waterberg. „Und auch jetzt wird sie sich dafür einsetzen, dass die Versöhnungsarbeit gute Früchte tragen wird. Dabei sind sehr viel Sensibilität und Achtsamkeit notwendig“, so Rudolph weiter. Kirchenkreise pflegten Partnerschaften zu den namibischen Kirchengemeinden – vom Norden in Otjiwarongo mit dem Kirchenkreis Wesel bis tief in den Süden in Keetmanshoop mit dem Kirchenkreis Wuppertal. Sie erlebten, wie der Völkermord bis heute Herero und Nama präge. „Denn mit dem Genozid waren Enteignung des Landes und Sklavenarbeit verbunden, die eine große Armut entstehen ließen“, erinnert Rudolph.
Zwischen 1904 und 1908 wurden im damaligen Deutsch-Südwestafrika mehr als 80.000 Menschen getötet
„Nach Jahren der Versöhnungsarbeit und Aufarbeitung der Kolonialzeit in Politik, Kirche, Mission und Wissenschaft bin ich sehr froh, dass auf die Bitte um Vergebung nun konkrete Taten der deutschen Außenpolitik folgen“, sagt die Auslandsbischöfin der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Petra Bosse-Huber. Außenminister Heiko Maas (SPD) hatte am Freitag, 28. Mai, mitgeteilt, dass Deutschland seine Kolonialverbrechen in Namibia als Völkermord anerkenne. Deutschland will einen Fonds in Höhe von 1,1 Milliarden Euro zur Förderung von Wiederaufbau und Entwicklung gründen. Bosse-Huber: „Wir hoffen sehr, dass gerade diese Initiative jetzt der relativ jungen Bevölkerung in Namibia helfen wird, soziale Gerechtigkeit zu erleben und gute Bildungschancen zu haben.“ Rechtliche Ansprüche leiteten sich aus der Anerkennung des Genozids nicht ab, betonte Maas. Zwischen 1904 und 1908 hatten deutsche Kolonialtruppen Aufstände der Herero, Nama und Damara im damaligen Deutsch-Südwestafrika brutal niedergeschlagen. Der Befehlshaber Lothar von Trotha erteilte einen Vernichtungsbefehl. Mehr als 80.000 Menschen wurden getötet oder verdursteten in der Wüste. Historiker bezeichnen diese Gräueltaten als „ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts“.