Gemeinde soll ein Schutzort sein

Hilfe gegen Übergriffe

Manchmal ist es eine Jugendliche, die auf der Konfirmandenfreizeit den Parcours fürchtet, durch den sie auf den Händen der Gruppe getragen wird. Manchmal sind es auch Kinder, denen Erwachsene viel zu nahe kommen und die sich selbst nicht wehren können. Und manchmal ist es ein Mitarbeiter, dem die Hand des Kollegen auf seiner Schulter zu viel wird. „Jeder hat seine eigenen Grenzen“, sagt Martina Thomas von der Evangelischen Beratungsstelle, „und jeder hat ein Recht darauf, dass sie eingehalten werden.“ Weil das im Alltag aber nicht immer der Fall ist – aus Unachtsamkeit oder Böswilligkeit – hat der Evangelische Kirchenkreis Solingen das Konzept „Schutzort Gemeinde“ erarbeitet.

In Gemeindehäusern, Kindergärten und an jenen Orten, an denen sich Jugendliche in der Gemeinde treffen, hängen künftig türkisfarbene Plakate, die deutlich machen: „Wir möchten, dass dieses Haus und diese Gemeinde ein guter und sicherer Ort für alle Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen ist. Und ein Schutzort für diejenigen, die Hilfe brauchen.“ Und dort finden Menschen die Telefonnummer der Evangelischen Beratungsstelle. Die Mitarbeitenden dort helfen auch weiter, wenn jemand außerhalb der Gemeinde Erfahrungen mit Grenzverletzungen oder sogar mit sexuellen Übergriffen machen musste.

Die Fachleute der Beratungsstelle haben in den vergangenen Monaten bereits Mitarbeiter in den Kindertagesstätten und Presbyterien geschult – um genau hinsehen und Grenzüberschreitungen erkennen zu können, um zu wissen, wie sie bei Gewalt oder sexuellen Übergriffen reagieren können. Das gilt für Situationen, in denen Erwachsene entdecken, dass die Grenzen der Jüngsten nicht eingehalten werden. Das gilt aber auch für Momente, in denen sich Erwachsene oder Jugendliche unwohl fühlen. Sie alle sollen einen Anlaufpunkt bekommen, an dem sie ernst genommen werden. Und der will die Beratungsstelle sein. „Wir hören erstmal zu“, sagt Martina Thomas. Wenn dann deutlich wird, dass eine akute Bedrohung besteht oder sexuelle oder physische Gewalt gegen Kinder ausgeübt wird, dann wird sofort gehandelt. „Dafür gibt es bereits genaue Leitlinien“, erklärt die Beraterin. Strafrechtlich relevante Fälle vertragen keinen Aufschub. In anderen Fällen setzen die Fachleute der Beratungsstelle auf Kommunikation – mit Vorgesetzten und mit den Betroffenen.

„Wir wollen eine Kultur des Hinschauens etablieren“, sagt auch Superintendentin Ilka Werner. Das soll nicht nur dazu beitragen, dass mögliche Täter sich nicht mehr auf das Schweigen ihrer Opfer verlassen können.  Es sei grundsätzlich wichtig, darüber zu reden, wenn sich Menschen unwohl fühlen. Die Erfahrung macht auch Beraterin Martina Thomas: „Das Schutzkonzept macht es möglich, über Sachen, die manchmal wenig greifbar sind wie ein komisches Bauchgefühl oder ein Unwohlsein zu sprechen“, sagt sie. Diese Gefühle brauchen Aufmerksamkeit. Und vielleicht gelinge es so, eine Kultur zu schaffen, in der auch Kinder und Jugendliche sich trauen, laut und deutlich zu sagen: „Ich möchte das nicht“ – auch wenn ihnen Spiele oder Umarmungen unangenehm sind.

INFO

Die Evangelische Beratungsstelle ist unter Telefon 0212/287287 oder per Mail an beratungsstelle@evangelische-kirche-solingen.de oder persönlich an der Kasernenstr. 23 erreichbar.

  • 24.9.2019
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