In der Kraft des Heiligen Geistes – Persönliche Gedanken zu Pfingsten und der Frage nach der Zukunft

In Interviews werde ich oft gefragt: „Herr Latzel, wie sehen Sie die Zukunft?“ – wahlweise unserer Kirche, unserer Gesellschaft oder der Welt. Um ehrlich zu sein: Ich weiß es nicht. So wenig, wie es andere wissen. Das gehört ja gerade zum Wesen der Zukunft, dass wir sie nicht kennen. Sie ist eben keine bloße Verlängerung der Gegenwart. Sie kommt vielmehr auf uns zu, ist trotz all unserer notwendigen Planungen letztlich offen, unverfügbar.

In der Frage nach der Zukunft schwingt dabei meist ein sorgenvoller, skeptischer Unterton mit. Und in der Tat gibt es ja 1.000 gute Gründe, um sich Sorgen zu machen. Ein Blick in die Nachrichten genügt. Wenn wir an einem kein Mangel haben, dann sind es Krisen. Meine kürzeste Antwort auf die Frage lautet dann jedoch: „Ich bin voller Hoffnung.“ Nicht, weil ich die Probleme von Krieg, Corona, Klima oder sozialer Gerechtigkeit geringer einschätzen würde. Beileibe nicht. Ich halte wenig von positivem Denken – einfach nur auf die volle Hälfte des Glases schauen. Zweckoptimismus wird allzu leicht naiv. Nein. „Ich bin voller Hoffnung, weil ich mit der Kraft des Geistes Gottes rechne.“

Als Christinnen und Christen feiern wir an Pfingsten genau das: Gott mischt sich ein in unsere Krisen. Gottes Geist entfacht in uns Feuer. Er machte damals aus der ängstlichen Schar, die nach Jesu Tod verschlossen in einem Haus in Jerusalem saß, mutige, offene Menschen. Sie redeten so, dass Leute verschiedenster Sprachen sie verstanden und selbst anfingen, voller Hoffnung zu sein.

Pfingsten – das ist das große Hoffnungsfest nicht nur für die Kirche, sondern für unsere Welt. Gott selbst als Schöpfer Himmels und der Erden mischt sich ein. Und sein Geist verändert Menschen.

Die Pfingstgeschichte in der Bibel, Apostelgeschichte 2, beschreibt das in starken Bildern.
– „Und es geschah plötzlich ein Brausen von Himmel wie von einem gewaltigen Sturm.“. Nicht der Wind, den ich selbst oft mit meiner Geschäftigkeit mache. Nicht die Thermik meiner alltäglichen Hektik. Sondern ein Wehen, das die Fenster und Türen meines Lebens öffnet. Ein Atmen Gottes, das mir neues Leben einhaucht. Die Kraft, so zu leben, wie ich es eigentlich tief in mir spüre.
– „Und es erschienen ihnen Zungen, zerteilt und wie von Feuer, und sie setzten sich auf einen jeden von ihnen.“ Nicht die erregte Hitze, mit der ich mich selbst manchmal in Rage rede. Nicht meine eigene kleine Flamme, die ich allzu oft für den Glutkern des Kosmos halte. Sondern eine Liebeskraft, die mich entfacht, ohne mich zu verbrennen. Ein Feuer Gottes, das mich so leben lässt, dass es andere Menschen wärmt und erhellt.

– „Und sie fingen an zu predigen in anderen Sprachen, wie der Geist ihnen zu reden eingab.“ Ein Sprachenwunder. Nicht als Zeichen meiner weltläufigen Klugheit oder Sprachbegabung. Sondern ein Wunder echten Verstehens, dass ich so rede, höre und schweige, dass meine Mitmenschen sich wirklich verstanden fühlen.

„Ich bin voller Hoffnung, weil ich mit der Kraft des Geistes Gottes rechne.“ Nein. Ich habe keine einfachen Antworten auf die vielen, schwierigen Fragen, die uns im Blick auf die Zukunft umtreiben. Aber ich habe Hoffnung, weil Gottes Geist meinen Blick weitet: weg von meinen, von unseren begrenzten Möglichkeiten – hin zu den Wundern, die Gott selbst in uns wirkt. Sein Geist weht, brennt, spricht in uns. Und er lässt uns mutig neu leben, für andere, allen Krisen zum Trotz.
Ihnen ein gesegnetes, begeistertes Pfingstfest!
P.S.: Das Foto zeigt eine Aufnahme von einer Kunstinstallation im Rahmen des Kunstprojketes Ruach (Wind, Atem, Geist Gottes) in der Johanneskirche Düsseldorf. Sehr sehenswert!

Theologische Impulse (115) von Dr. Thorsten Latzel, Präses

Weitere Texte: www.glauben-denken.de

Als Bücher: https://praesesblog.ekir.de/inhalt/theologische-impulse-als-buecher

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  • 6.6.2022