Bundeskanzlerin Angela Merkel: Respekt vor einer großen Staatsfrau – und ihrer inneren, geistlichen Haltung

Die Rede, die Angela Merkel als scheidende Bundeskanzlerin gestern beim Großen Zapfenstreich hielt, empfand ich – unabhängig von jeder parteipolitischen Positionierung – als demokratisch wie menschlich tief beeindruckend, gerade auch auf dem Hintergrund etwa des zeitgleichen Rücktritts von Sebastian Kurz in Österreich oder gar des desaströsen Verhaltens eines Donald Trumps am Anfang des Jahres.

Hier scheidet eine wirkliche Staatsfrau aus dem Amt und wünscht ihrem Nachfolger von einer anderen Partei viel Erfolg. Egal wie man politisch zu Entscheidungen von ihr stehen mag, steht sie jenseits jeglichen Verdachts einer persönlichen politischen Vorteilsnahme.
Sie wirbt in ihre Rede für die demokratische Streitkultur, die wir in Deutschland haben, für die Anerkennung wissenschaftlicher Fakten, für die Fähigkeit zur Selbstkorrektur und die Einfühlung in den anderen. Eine Haltung, die sie auch als Staatsfrau auf internationalem Parkett glaubhaft und souverän gegenüber schwierigen Dialogpartnern vertreten hat. Was mich aber besonders beeindruckt hat, ist die geistliche Haltung, aus der sich dieses politische Handeln speist: „Demut und Dankbarkeit“ sind ihre Schlüsselbegriffe und sie spricht von einer „Fröhlichkeit im Herzen“ bei der Arbeit. Eine zutiefst protestantische Haltung, die sich auch in dem letzten Lied „Großer Gott wir loben dich“ widerspiegelt. Ich glaube, dass solch eine Einstellung hilft, mit politischer Macht umzugehen: Es hilft, wenn man um eine höhere, letzte Instanz weiß – und es hilft dazu, sich selbst zurücknehmen und von einer immer nur auf Zeit verliehenen Macht loslassen zu können. Danke für diesen demokratischen Übergang und diese Haltung!
  • 3.12.2021