Turmfalken und Co. - So finden Tiere in der Kirche eine Heimat

Tiere in der Kirche – Tierfreunde haben am Glockenturm der Petrikirche in Mülheim an der Ruhr Webcams aufgestellt. Zwei Turmfalken werden so zu kleinen Internetstars. Zuschauerinnen und Zuschauer können die Tiere in der Kirche beim Brüten, Jagen und bei Erkundungsflügen verfolgen. In der rheinischen Kirche bieten mittlerweile viele Gemeinden Tieren eine Heimat und sie geben anderen Tierschützerinnen und Tierschützern nützliche Tipps. In der Serie „Tiere in der Kirche“ werden auf ekir.de die einzelnen Arten, ihren Wohnraum an Kirchen und ihre Bedürfnisse vorgestellt.

„Mensch und Tier halten Ausschau nach dir…“, heißt es in Psalm 145,15 nach der Übersetzung der Basisbibel. Für viele Menschen ist die Ausschau nach Gott mit einem Besuch in der Kirche verbunden. Folgt man dem Bibelzitat, wundert es dann auch nicht, wenn das Gleiche auch für Tiere gilt. In, auf und rund um Kirchengebäude leben Turmfalken, Schleiereulen, Fledermäuse und Nagetiere. Um den Tieren einen sicheren und angemessenen Lebensraum zu geben, ist aber mehr nötig, als nur Ausschau zu halten.

Kirchengemeinde sammelt Spenden für Landsweiler‘ Kirchentauben

Die Evangelische Kirchengemeinde Landsweiler-Schiffweiler setzt auf eine langfristige Koexistenz zwischen Menschen und Tauben an der Evangelischen Kirche Landsweiler. Seit zwei Jahren haben sich immer mehr Tauben auf dem Kirchturm angesiedelt. Das führt dazu, dass Gebäude und Eingangsbereich stark verschmutzt sind. Damit die Vögel künftig gesünder und nachbarschaftsfreundlicher an ihrer neuen Heimstätte wohnen können, möchte die Kirchengemeinde ein Taubenhaus errichten und die Tiere dort ansiedeln. Ziele sind es, die Kirche vor Verunreinigungen zu schützen und gleichzeitig die Tiere nicht durch Taubenabwehrmaßnamen zu beeinträchtigen oder gar zu verletzten. Für die Errichtung des Taubenhauses, Futter und Instandhaltung werden etwa 5000 Euro benötigt, die die Kirchengemeinde nicht allein aufbringen kann. Tierfreunde können das Projekt unterstützen mit einer Spende auf das Konto des Evangelischen Kirchenkreisverbands An der Saar, IBAN: DE98 5909 2000 3059 6700 84, mit dem Verwendungszweck „Kirchentauben Landsweiler“. (Stand: 21.11.23)

Team kümmert sich seit Jahren schon um Turmfalken in Mülheim

In Mülheim an der Ruhr hat beispielsweise das Team aus Küster Harry Helming-Arnold und Altstadtwirt Hendrik Peek seit Jahren das Geschehen rund um die Petrikirche beobachtet. Peek betreibt die Mausefalle, das Restaurant, das gegenüber der Kirche liegt und hat so einen prominenten Blick auf die Kirche. Bei Beobachtungen blieb es jedoch nicht. Um den Turm wieder für Turmfalken interessant zu machen, entfernte Helming-Arnold im Jahr 2009 einen Stein vor einer Nische neben der Kirchturmuhr. In der Folge wurde ein Nistkasten gebaut und Falken-gerecht installiert, wie in der Falken-Chronik der beiden Tierfreunde nachzulesen ist.

Ein Blick in den Nistkasten für Turmfalken in Mülheim. Foto: VEK Mülheim

Turmfalken werden zu Stars bei Streaming-Plattform Twitch

Anfang 2021 sind dann die beiden Kameras hinzugekommen, die nun 24 Stunden am Tag Bilder für einen Livestream auf der Videoplattform Twitch bieten. Dort sind die Falken in kurzer Zeit schon kleine Stars geworden. Knapp 1000 Abrufe hatte der Livestream bisher nach kurzer Zeit. Und es kommen immer mehr Zuschauer, aber auch Protagonisten dazu. Denn mittlerweile sind sogar mehrere kleine Turmfalken aus Eiern geschlüpft und können nun beobachtet werden. Dass die teils spektakulären Bilder Fans anlocken, ist nicht überraschend. Aber was lockt die Tiere in Kirchtürme?

Vogelexperten: Kirchtürme sind Ersatz für Felsen

Eine Antwort darauf weiß Dietmar Hartmann, Umweltbeauftragter der evangelischen Kirchengemeinde Marienberghausen. Die Kirchengemeinde beheimatet selbst Vögel. „Wir haben eine in den Ursprüngen mittelalterliche Kirche, die im Dachgeschoss „natürliche“ Einfluglöcher hat. Dadurch haben zahlreiche Tiere auch Zugang zu der Kirche“, sagt Hartmann, der selbst aktiv ist im Naturschutzbund Deutschland (NABU). Holger Sticht, Landesvorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), sagt über Kirchtürme: „Sie sind oft störungsarm und stellen einen Ersatzfelsen beziehungsweise Ersatzhöhle dar, die von Vogel- oder Fledermausarten genutzt werden, die gerne Felsen besiedeln.“ Beispiele für solche Tiere seien zum Beispiel Turmfalke, Schleiereule, Wanderfalke, Dohle und verschiedene Fledermausarten.

Ein Turmfalke, der in Eckenhagen gesichtet wurde. Foto: Dietmar Hartmann

Antrieb sollte Interesse am Naturschutz sein

Sticht räumt im Gespräch auch mit einem weit verbreiteten Irrglauben auf, nach dem Turmfalken oder andere tierische Jäger dabei helfen könnten, zu viele Kirchenmäuse oder Ratten zu vertreiben. Nicht die Jäger, sondern die Futterverfügbarkeit regulieren den Bestand. „Das heißt: Die Wühlmaus reguliert den Turmfalken, nicht umgekehrt“, sagt Holger Sticht. Für alle genannten Tierfreunde steht deshalb auch der Naturschutz und nicht der Nutzen für den Menschen im Vordergrund. Das wäre bei Turmfalken sowieso recht aussichtslos, weil diese nicht direkt vor den Kirchen, sondern eher auf freien Feldern jagen würden.

Gemeinden können auf Hilfe von NABU und BUND hoffen

Ein Kirchturm allein ist jedoch längst keine Garantie dafür, dass Turmfalken oder andere Vogelarten in einer Kirche einziehen. So haben sich auch die Mülheimer Harry Helming-Arnold und Hendrik Peek Hilfe von Tierschützern vor Ort geholt. Auch in Marienberghausen und Eckenhagen gab es Hilfe durch einen Tierschutzverband. Gerade wenn es um die Installation von Nistkästen geht, sei professionelle Hilfe gefragt, berichtet Dietmar Hartmann. In Eckenhagen mussten Nistkästen für Mauersegler beispielsweise mit einem Kran angebracht werden – ein Projekt, das ohne die Experten nicht umzusetzen gewesen wäre.

Experten vom NABU bei der Anbringung von Nistkästen in Eckenhagen. Foto: NABU/Uwe Hoffmann

NABU führt Online-Liste zum „Lebensraum Kirchturm“

Doch nicht erst bei handwerklicher Tätigkeit, sondern auch schon bei der Planung solcher Projekte helfen NABU und BUND. Sie stellen unter dem Titel „Wohngemeinschaft im Kirchturm“ und „Artenschutz an Gebäuden“ Informationen für interessierte Gemeinden bereit. Die Hinweise beleuchten auch, welche Tierarten zum Beispiel nicht an einem Ort längere Zeit gemeinsam leben können. Der NABU listet im Rahmen des Projektes „Lebensraum Kirchturm“ zudem Kirchen auf, die mit Ortsgruppen kooperieren und Heimat für Vögel geworden sind.

Aus dem Bereich der rheinischen Kirche haben unter anderem die Friedenskirche in Krefeld, die Kirchengemeinde Erkrath, die Kirchen in Großaltenstädten und Erda und die Gemeinde in Homberg von Turmfalken berichtet, die immer wieder dort nisten. In vielen der Kirchen nisten jedoch nicht nur Turmfalken. Im zweiten Serienteil geht es darum, warum „schnarchende“ Schleiereulen für Freude in Kirchen sorgen.

Ludwigskirche in Sarrbrücken öffnet sich für Turmfalken

Die Ludwigskirche in Saarbrücken hat im Februar 2020 vermeldet: Wir haben geöffnet! Im Kirchturm wurde dort ein aufwendiger Brutkasten für Turmfalken in die höchste Fensteröffnung eingebaut. Diese Tierschutzaktion war eine Kraftanstrengung vieler Akteure aus dem Saarland. Neben dem Naturschutzbund waren auch eine Schreinerei sowie die Internationalen Musikfestspiele Saar beteiligt. Noch in diesem Jahr soll zudem eine Videoüberwachung installiert werden.

Alle Teile der Serie „Tiere in der Kirche“

Im dritten Teil unserer Serie stellen wir Tiere vor, die häufiger in der Kirche abhängen als viele Pfarrerinnen und Pfarrer: die Fledermäuse. In Teil vier der Serie „Tiere in der Kirche“ begeben wir uns in den Garten und berichten, wie Kirchgärten Bienen und Kaninchen ein Zuhause bieten. Der fünfte Teil widmet sich Pfarrhund Musti aus Bad Godesberg. Er zeigt, wie Hunde bei der Seelsorge helfen. Auch auf Friedhöfen sind Tiere zu finden, in Mönchengladbach fordert das ein biodiverser Friedhof sogar heraus.

  • 10.3.2021
  • Aaron Clamann
  • VEK Mülheim, Dietmar Hoffmann, NABU Uwe Hoffmann